Re: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen?

von: DieterFfm

Re: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen? - 26.11.09 19:34

Auch ich kann mich nicht beherrschen, muss meinen Senf beisteuern.

Als Kind bin ich immer mit dem Rad zur Schule gefahren, erst 3km, dann gut 6km, bei Wind und Wetter, und das in der Großstadt. Meine Klassenkameraden haben das öfters mit kopfschütteln quittiert. Das war so zw. 1965 und 1975.
Ein Nachbarsjunge, mit dem ich manchmal rumgezogen bin, hatte auch einen Spleen mit dem Rad. Als meine Eltern mal für eine Saison ihren Wohnwagen an der Kinzig bei Langenselbold abgestellt hatten, war das für uns zwei ein Ziel. Es waren gut 35km, und meine Eltern haben uns heftig bewundert. "Wie kann man nur so weit mit dem Fahrrad fahren." Das war so Anfang der Siebziger.
Auch zur Uni in Frankfurt bin ich oft geradelt, allerdings nicht mehr so durchgängig, und der erste Arbeitgeber war auch nah genug, um ihn mit dem Rad zu erreichen, jedenfalls im Sommer.
Dann kamen Anfang der '80er die Kids, und als sie groß genug waren, hab ich mir einen vorne und einen hinten auf's Rad gesetzt und hab die Spielplätze im Umkreis abgeklappert. Das hat zwar nix mit Radreisen zu tun, aber für mich war das Rad immerhin ein gut nutzbares Freizeitgerät, ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, damit auf Urlaubsreisen zu gehen.
Dann kam der Januar '90 und ich holte mir beim Handball einen Achillessehnenriss. Damit war die 'sportliche Laufbahn' beendet, alt genug dafür war ich ja. Als ich wieder einigermaßen mobil war, traf ich zufällig einen guten Freund, der sich gerade ein Mountainbike gekauft hatte. Ich durfte eine Proberunde um den Spielpark drehen und war begeistert, mit sowas konnte mein alter Hirsch nicht mithalten, das musste ich unbedingt auch haben. Gesagt getan, ab jetzt fuhren wir sonntags morgens durch die 'Berge' zwischen Frankfurt und Bad Vilbel. Nach der ersten 20km-Tour war ich platt.
Ein Jahr später ist mein Freund nach Bebra gezogen, ich musste jetzt die Sonntagstouren alleine fahren, und es wurde immer weiter, bis zu 60km. Ein/zweimal im Jahr fuhren wir (mit dem Auto) die Freunde in Bebra besuchen, bis ich so im Frühling '94 die Idee hatte, die Strecke zu radeln. Meine Frau konnte dem nichts abgewinnen, also bin ich Himmelfahrt '94 alleine die 180km nach Bebra geradelt, an einem Tag. Mann, war ich stolz, als ich es geschafft hatte. Alle Bekannten hielten mich für bekloppt.
Dann kam der Sommer '95. Meine Frau und die Kids fuhren für 4 Wochen zur Mutter-Kind-Kur nach Rügen, und das in den Sommerferien. Das war für mich die Chance. Mein Rad hatte ja Gepäckträger, also wünschte ich mir zum Geburtstag Zelt und Packtaschen und machte mich einen Tag nach der Abreise der Familie mit heftigst überladenem Rad auf nach Rügen, die erste Etappe bis Bebra. Allein auf dieser Etappe hat's heftig geregnet, bin ich von Pferdebremsen gepiesakt worden, hatte ich zwei Speichenbrüche und einen Plattfuß. Dass ich trotzdem das Etappenziel erreicht hatte, wundert mich heute noch. Aber mit Unterstützung des Freundes in Bebra wurde das Rad wieder auf Vordermann gebracht. Am nächsten Tag konnte ich mein Gepäck drastisch reduzieren und unwichtige Teile in Bebra zwischenlagern.
Was soll ich sagen, es wurde mein bis dahin schönster Urlaub. Als ich nach einer Woche in Rügen ankam, war ich die Sensation im Ferienheim. Wie konnte jemand so verrückt sein, und mit dem Rad von Frankfurt nach Rügen fahren? Auch die Weiterreise über Hamburg, Bremen und Weser aufwärts war einfach genial. Der Virus hatte mich entgültig erwischt und ich war völlig wehrlos. grins
Im nächsten Jahr stand ein Arbeitsplatzwechsel an und ich musste im Juni die anteiligen 3 Wochen Urlaub nehmen. Da mit der Familie nichts geplant werden konnte, bin ich alleine 2 Wochen mit dem Rad durch Süddeutschland getourt: Neckar, Bodensee, Donau, Altmühl. Trotz sehr durchwachsenem Wetter ein super Urlaub.
Damit hatte sich mein regelmäßiger Radurlaub etabliert. Meine Frau läßt mich jedes Jahr für 2 Wochen ziehen, was absolut nicht selbstverständlich ist, dafür bin ich ihr auf Ewig dankbar. Allerding war ich in ihren Augen immer ein Verrückter, sie selbst konnte dem Radeln nichts abgewinnen.
Zu meinem 50sten Geburtstag wollte sie mir dann eine große Freude machen. Sie organisierte einen Radurlaub für uns zwei entlang der Altmühl, Übernachtung dann natürlich in Hotels, die sie selbst ausgesucht und gebucht hatte. Und was soll ich sagen, einmal ausprobiert hat es ihr richtig Spaß gemacht. Seitdem sind wir jedes Jahr (außer diesem, da hat eine Bandscheibenoperation einen Strich durch gemacht) eine Woche geradelt. Natürlich nicht solche Gewalt-Touren, wie ich sie alleine fahre, aber auch sie wurde infiziert.

So, das war jetzt ein etwas länglicher Beitrag, aber das musste ich halt mal los werden.

Liebe Grüße
Dieter