Re: Ein grüner Alien im Königreich Karantanien

von: veloträumer

Re: Ein grüner Alien im Königreich Karantanien - 07.12.15 22:00

E.5 PROLOG

Fr 12.6. Green Devil 13:58 h || per DB-Regional-Beamer || 19:39 h Bruck – Fusch
W: 35-24 °C, sonnig, sommerheiß, abends mild
Ü: C Lampenhäusl 7 €
AE (dito): Grillteller, Gemüse, Pommes, Apfelstrudel m. Eis, Rotwein, Cafe 26,40 € (**)
8-9 km | 70 Hm | Irdischer Zeitmesser noch nicht angepasst, daher keine Geschw.- & Zeitwerte

„studi-RAL-verde an speichen-08/15-kracher: DB/ÖBB-Beamer-Landung in Bruck erfolgreich. Bitte um Freigabe für Forschungsreise! Bitte Bankomatenlizenz aktivieren!“
„speichen-08/15-kracher an studi-RAL-verde: Pedalantrieb prüfen, Flaschenfüllung kontrollieren!“
„studi-RAL-verde an speichen-08/15-kracher: Pedalantrieb funktionsfähig. Flaschen gefüllt mit Leitungswasser, allerdings lauwarm.“
„speichen-08/15-kracher an studi-RAL-verde: Lauwarm werden Sie morgen froh drüber sein! Forschungsreise frei gegeben. Beschränkte Bankomatenlizenz aktiviert. Good luck!“


Wie schon eingangs erwähnt, gab es bei der intrakosmischen digitalen Navigation einige Fehler, sodass ich nicht exakt am Startpunkt Fusch am Fuße der Großglocknerstraße abgesetzt werden konnte. So hatte ich am Abend vor Reisebeginn noch ein kleines Teilstück zwischen Bruck und Fusch zu überwinden, dass aber angesichts des recht flachen Verlaufs und der milden Temperaturen nach dem heißen Sommertag keinerlei Probleme bereitete. Lediglich zuvor im DB/ÖBB-Beamer hatte ich mit einigen Schweißperlen zu kämpfen, wenngleich alles mit großer Pünktlichkeit vonstatten ging. Auch das Empfangsessen im Lampenhäusl zu Fusch erwies sich als durchaus schmackhaft. Mangels Erlebnischarakter des Prologs werde ich diesen noch zu einigen allgemeinen Bemerkungen missbrauchen.


Letzter Camping vor der Hohe-Tauern-Barriere auf der Nordseite der Großglockner Hochalpenstraße: Lampenhäusl in Fusch, wahlweise auch Hotel und Restaurant

Bei der Bankomatenlizenz wollte sich mein Commander wohl besonders großzügig zeigen. Der Automat spuckte nur 100-Euro-Scheine aus. Das war dann in ganz Österreich so. Vermutlich also ein teures und reiches Land. Die Realität sollte sich anders darstellen. Kärnten samt des kleinen Salzburger Teils erwies sich eher als das preisgünstigste Reiseland unter allen dreien. Und es gilt als arm – zumindest aus gesamtösterreichischer Perspektive. Nimmt man einige Eintrittsgelder und touristische Vergnügen hinzu, verrechnet man den schlechten Service, betrachtet man die Privathoheit über die Seen in Österreich und damit den nicht gerade selten zu bezahlenden Seezugängen (denen ich mich verweigerte) und setzt man mehr auf Camping als auf Festunterkünfte, verschiebt sich der preisgünstigste Pegel wieder zugunsten Sloweniens, wo die Natur noch weitgehend als freies Gemeingut gilt und sich mit etwas Augenmerk und Planung immer noch auch sehr günstig urlauben lässt.

Campings sind in Slowenien im Schnitt gegenüber Kärnten etwa um 2 Euro günstiger, also quasi auch etwas noch unter dem germanischen Niveau. Allerdings kam ich gerade dort noch häufiger zu sog. Sonderpreisen, sodass die reale Preisrelation etwas verzerrt ist. Am Beispiel der zwei teuersten, „gleichwertigen“ Halli-Galli-Campings des jeweiligen Landes – Ankaran/SLO (15,60 €) und Mauthen/A (18 €) – lässt sich der Unterschied aber ganz gut festmachen. Der Kategorie 10-12 € in Slowenien entspricht in Österreich eher einer Gruppe mit 12-14 €, wenn man es mal über den Daumen peilt (alles inklusive lokaler Tourismussteuern gerechnet, die ja nicht dem Betreiber unterliegen). In Friaul/Julisch Venetien war die Anzahl meiner regulären Übernachtungen ziemlich gering, sodass ich zumindest keine aktuelle Aussage über die dortigen Campingpreise machen kann.

Überhaupt war der Anteil sog. Sonderübernachtungen mal wieder ziemlich hoch und vielfältig. Zum italienischen Teil hatte ich etliche Vorinfos gefiltert, sodass ich über die dortige Region eine bessere Übersicht habe als man es gemäß der tatsächlichen Übernachtungsvarianten vermuten mag. Oft scheiterte der gezielte Anlauf einiger als empfehlenswert vermerkter Agrotourismusbetriebe an der veränderten, ungünstigen Etappengestaltung, die sich zwangsweise aus verschiedenen Umständen ergab, insbesondere weil die Ziele entsprechend des unterschätzten Schwierigkeitsprofils zu ambitioniert waren. Am schmerzlichsten musste ich auf Weingüter mit Bett, Speis und Trank in Tarcento und Nimis verzichten, noch mehr trauere ich um einer Nächtigung in Sàuris nach – ein Ort, dessen Atmosphäre mit seinen eigenwilligen Menschen und dem stilvollen Wesen der traditionellen Häuser sich nicht über ein einziges Zahre-Bier unter trüben Himmel einfangen lässt.


Nicht immer billig, aber vielfach propere, moderne Zimmer kennzeichnen slowenische Hotels oder Bed&Breakfast-Betriebe: blue notes für die Träume des grünen Alien in Skofia Loka

Eine Angleichung an italienische Preise gibt es in Slowenien beim besseren Essen ebenso wie bei den Festübernachtungen. Bei letzteren fällt auf, dass in Kärnten weniger, in Slowenien mehr und moderner investiert wird – im Friaul ist es eher mal so oder so. Beliebt sind auch Zimmer im historischen Bau- und Möbelstil der jeweiligen Region – schön, aber eben auch eher teuer. Luxus wie Sauna oder Hallenbäder wird gerne als Lockmittel benutzt, ist aber zuweilen gar nicht geöffnet oder nur mit Zuzahlung möglich (sowohl in Kärnten wie Slowenien gesehen). Nicht zuletzt erfuhr ich von Roberto Magris, dass die Apartmentpreise (für Bewohner; Kauf, Miete) im grenznahen, slowenischen Sezana nicht selten über denen auf der Triester Seite liegen. Auch auf die touristischen Preise hat diese italienische Grenznähe eine Auswirkung, aber nicht immer. Man findet auch in abseitigen Regionen in Slowenien hohe Übernachtungspreise – z. B. in Skigebieten.

Anderseits werden nicht alle grenznahen Gebiete von Italienern gleichermaßen häufig aufgesucht. Im Collio gehen die Weingebiete ineinander über, da funktioniert die Preisangleichung. Die Gourmethochburg Sloweniens ist nicht zufällig im grenznahen Kobarid entstanden. Zum Essen kommen die Italiener auch gerne in den slowenischen Teil des Kanaltals, sodass dort die grenznahen Orte davon profitieren, etwa bis zum Kasino-Ort Kranjska Gora. Im Gegensatz dazu finden sich wenig Österreicher, die mal schnell durch den Karawankentunnel oder über den Wurzenpass vorbeischauen. So zumindest mein spontaner Eindruck. Da ist die Barriere doch irgendwie wortwörtlich zu hoch. Umso mehr überrascht, wie schlecht der Tourismus im Karstweingebiet Sloweniens läuft. Kaum Italiener, die sich über die grenznahen Orte Sloweniens hinauswagen und auch immer wieder tauchen große, unerwartete Lücken an Einkehrmöglichkeiten auf wie etwa zwischen Vipava und Sezana. Es dürfe aber nicht nur an der nationalen Grenze liegen, sondern auch an der Sogwirkung des Meeres. Alles tummelt sich am Meer, während das reizvolle Hinterland wirtschaftlich verödet.


Nicht immer die schlechteste Wahl zur Budgetlimitierung bei begrenzter Bankomatenlizenz: Wildes Biwakieren in den Rebenhügeln des Collio (Slowenien)

Allen Teilregionen Karantaniens gemein ist aber, dass die wirtschaftliche Krise spürbar ist. Welche Krise? – Von Konjunkturfesten, wie sie gelegentlich von den Erdenbürgern berichtet werden, konnte ich jedenfalls in Karantanien keine relevanten Spuren finden. Sicherlich gibt es genügend Leute, die Geld haben, besser gesagt zuviel Geld. Die Verteilung ist jedoch asymmetrisch, die Schere wird größer, die Nutznießer von Luxustourismus sind wenige. Das unterstreichen auch Luxus-Rallyes auf der Großglocknerstraße, von denen die lokalen Betriebe kaum profitieren. Die Piloten kehren abends in stilechte Unterkünfte in Zell am See oder gleich in ihre Startorte zurück. Unter dem Motto „Luxus geht immer“ haben sich sicherlich auch einige Betreiber verkalkuliert. Selbst die fetteste Sau lässt sich nicht beliebig schröpfen. Neue zahlungskräftige Touristen zu gewinnen ist ein Wettbewerbslauf, bei dem nur wenige gewinnen können und andere verlieren werden. Einer meiner ehemaligen Wirtschaftsprofessoren, Albert Schweinberger, pflegte schon fast besessen im Widerspruch zur herrschenden These der Jedermanns-Wohlfahrts- und Wachstumsökonomie zu predigen: „Es gibt immer Gewinner und Verlierer!“

So leiden alle – neue Luxuskaschemmen im einsamem Pokljuka-Gebiet quälen sich gästearm zum nächsten Winter mit erhofft mehr wohlhabenden Skitouristen, ebenso wackeln Campingplätze an der Drau, Gourmetweingüter im Vipava-Tal oder Hüttengasthöfe an der Malta-Hochalmstraße an der Wirtschaftlichkeitsgrenze – nicht selten auch an der persönlichen Arbeitsbelastungsgrenze entlang. Es wird gespart, die Menschen können jeden Euro nur einmal ausgeben. Wer nicht weniger Geld in der Tasche hat, hat das bisschen Mehr spätestens bei den zunehmenden Konsumreizen in den Digital- und Spaßwelten schon ausgegeben. Für den Urlaubsort und den unmittelbaren Genussmoment bleibt weniger. Die Erlebniswelten werden zunehmend digitalisiert um nicht zu sagen denaturiert. Emoticons statt emotions. Das Ferrari-Happening auf der Glocknerstraße zeigt bestens, dass es nicht reicht, dass sich die Goldtaler nur bei wenigen Auserwählten sammeln. Die Konsumdekadenz des Kleinen Mannes versucht den virtuellen Brückenschlag über den größer werdenden Graben der Ungleichverteilung des Einkommens. Beide Seiten hebeln die gewachsenen wirtschaftliche Kleinbetriebsstrukturen zunehmend aus. Nicht alle Gastbetriebe reagieren mit Preiserhöhungen um die Verluste aufzufangen. Insbesondere in Kärnten sucht man den Weg der Preisstabilität um Stammgäste nicht zu verkraulen.


Verpflegung on the road direkt aus lokaler Produktion: Herzhafte Ziegenkäse und erfrischendes Joghurt von der Bergalm Zore nahe Taipana in den Julischen Voralpen, Friaul

Besonders „alternative/private“ Übernachtungsmöglichkeiten wie Bed & Breakfast, Agrotourismus o. ä. werden gerne immer luxuriöser angeboten, sind dann aber auch im Preis entsprechend hoch. Aus der o. a. Darstellung folgt natürlich, dass die friulanische Seite zumindest auf dem Papier die teuerste sein müsste (in meiner Praxis nicht unbedingt). Das muss nicht an den Übernachtungen liegen, vielmehr sind die Essenspreise doch recht gesalzen. Interessant ist dabei, dass bessere Restaurants und einfachere Berggasthöfe oder Almhütten letztlich sich im Preis kaum noch unterscheiden. So kam es nicht selten vor, dass ich das Preisleistungs-Verhältnis als sehr ungünstig bewerten muss, was zumindest in meiner Perspektive für Italien neu ist (allerdings war es ja auch nicht Kern-Italien). Preistreiber sind natürlich auch das nicht gerade immer Jubel auslösende Coperto, das stets zu bezahlende Wasser zum Wein und nicht selten fehlende Beilagen zu Fisch oder Fleisch, die man nochmal zusätzlich bestellen muss. Ärgerlich auch, dass die Beilagengestaltung nicht immer transparent ist, sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Zudem ist man etwa gegenüber Frankreich zu einem Menü à la carte gezwungen, weil es selten preiswerte Pauschalmenüs gibt und Einzelgerichte nicht ausreichend portioniert sind, sodass man zwingend mehrere Gänge zur Sättigung braucht. Ein Ausweg wäre natürlich – nicht nur in Italien – sich auf Pizza zu beschränken. Besonders Slowenien ist ein bekennendes Pizza-Land, riesige, gleichwohl gute Pizzen sind recht typisch wie auch beliebt bei den Einheimischen und ihrer Jugend, von den sich viele eine abwechslungsreiche Menügestaltung nicht leisten können und „deutsch“-typische Döneralternativen fehlen. Das ist aber nicht unbedingt meine Gourmeterwartung im Urlaub – trotz meiner beschränkten Bankomatenlizenz, die mir von Commander speichen-08/15-kracher stets auferlegt wird.

Ungeachtet der zuweilen besseren Beilagengestaltung muss man zum Ausgleich erwähnen, dass die Kärntner Köche die größten Problem mit den Garpunkten des Fleisches hatten, die italienischen hingegen die geringsten. Ein vertiefter Blick in die Kochtöpfe blieb mir jedoch nicht zuletzt mangels ausreichender Öffnungszeiten da und dort auch immer mal wieder verwehrt – am häufigsten eben in Österreich (auch hier zahlt man für wirklich gutes Essen tendenziell dasselbe wie in Italien und Slowenien – quasi Globalisierung auf breiter Front). Gutes gibt es allenfalls zu ausgewählten Schmankerlzeiten für ausgeruhte Schongangurlauber und erlesene Langzeitgäste, die mit dem Sandmännchen zur Bettruhe schreiten. Im Gesamtergebnis vermerke ich auch beim Essen für Slowenien den besten Kompromiss aus Geschmack der Ausgangsprodukte, Zubereitungsqualität, Service und Preis, wenngleich ich auch hier einige Male „leer“ ausging. Klar doch dann wenigstens, dass die zeitliche wie flächige Abdeckung mit Speiselokalen im italienischen Raum immer noch am besten ist.

Auffällig sind in Österreich, teils auch in Slowenien, die Allergiewarnungen, die angeblich den EU-Vorschriften folgen. Überraschend ist es deswegen, weil mir bei den Alemannen das noch nie aufgefallen ist – wenn überhaupt, steht es im Kleingedruckten. Ob die Alpenvölker deswegen gesünder leben als ihre nördlichen Nachbarn, konnte ich allerdings nicht abschließend feststellen. Gegen die galaktischen Allergien von Aliens helfen diese Hinweise ohnehin nicht. Essen ist auf der Green Devil eher eine unwissenschaftliche Angelegenheit – reine Genusssucht, zügellose Völlerei, ohne Bedenken und Schranken. Hier herrschen auch Parallelen zu Paolo Santoninos Reisebeschreibungen aus dem Spätmittelalter, der Karantanien im Auftrag des Bischofs von Caorle sehr wohl dienstlich bereiste, dabei aber den eigenen Genüssen ebenso wenig abschwor, wie er auch den Herrschaften der Zeit genau auf den Bauch schaute. (Santoninos Aufzeichnungen gelten als eine der wenigen kenntnisreichen wie präzisen Quellen für mittelalterliche Gerichte). Commander speichen-08/15-kracher beauftragte mich daher hauptamtlich nicht zuletzt zur Santonino’schen Spurensuche, die neben Genusssucht auch Eloquenz, Witz und kritisches Denken gegenüber den Stereotypen seiner Zeit hervorbringen.


Erste Begegnung mit den irdischen Bergmenschen ausgangs von Bruck: Österreicher sind gemütliche, meist freundliche, gelegentlich krantelige Wesen, die gerne mit dem Sandmännchen zur Bettruhe schreiten und über gehobene Fähigkeiten in der Automatenbedienung verfügen

Um zum österreichischen Geldautomaten zurückzukommen: Natürlich lässt sich die Geldausgabe dort auch mit gestückelten Scheinen steuern – das muss ein galaktischer Forschungsbeauftragter aber erstmal verstehen lernen. In jedem Fall reichte die mir gegebene Reisezeit dazu nicht aus, diese IQ-Lücke zu dem austriatischen Teil der Erdenbewohner zu schließen. In Ferlach löste das bei einem lokalen Bankangestellten großes Stirnrunzeln aus – zwischen Unverständnis und Mitleid. Immerhin bekam ich als Ausgleich einen Radwegtipp zur Tscheppa-Schlucht. Erstaunlich, was Kärntner Banker alles so wissen. Wer hätte das nach der Geschichte um die Hypo Alpe Adria gedacht?

Fortsetzung folgt