Am Alpensüdrand von Villach nach Bozen

von: Hansflo

Am Alpensüdrand von Villach nach Bozen - 15.08.16 16:05

Hallo,

eigentlich wollten wir diesen Sommer von der Haustür weg nach Prag radeln. Der Termin war fixiert und alles sauber vorbereitet, die Unterkünfte waren reserviert, die Rückfahrt mit der Bahn gebucht und die Begleiteskorte (die drei jungen Damen, die letzten Herbst die kleine Alpe-Adria-Tour mit uns gefahren sind) für den ersten Tag bis Passau war ebenfalls in froher Erwartung.

Leider wurde der Wetterbericht genau für unsere ersten Tage immer schlechter und es begann zu schütten. Die Lust, in tagelanger kalter Nässe durch den Böhmerwald zu radeln, war eine begrenzte und so haben wir kurzfristig umdisponiert. Wir haben unter die Räder genommen, was in den letzten Monaten gelegentlich hier im Forum aufgetaucht ist: am Alpensüdrand durch Friaul und Venetien. Genau genommen ist es ein bisschen mehr geworden, denn der Startpunkt lag in Kärnten und die beiden letzten Tage haben wir auch das Trentino noch (fast) durchquert und die letzten 40 Kilometer lagen bereits in Südtirol.

Hier grob die einzelnen Tage:

- Erster Tag: Anreise mit dem Zug nach Villach, dann auf der bereits gut bekannten Alpe-Adria-Strecke nach Tarvis, von dort nicht gleich weiter im Kanaltal, sondern hinauf zur Sella Nevea. Nach langer Abfahrt kommen wir in Chiusaforte wieder ins Kanaltal und von dort auf der Alpe-Adria-Strecke bis Gemona.

- Zweiter Tag: von Gemona über den Tagliamento, dem wir nun längere Zeit auf der rechten Seite folgen. Bei Pinzano verlassen wir den Fluss und haben nun rechter Hand immer die Berge und linker Hand die Ebene. Wir queren die Flüsse Meduna und Cellina und passieren die Städtchen Maniago und Aviano. Die Provinzhauptstadt Pordenone lassen wir links liegen und nächtigen im malerischen Sacile.

- Dritter Tag: von Sacile geht es in südwestlicher Richtung weiter. Nach Conegliano queren wir den Piave und folgen längere Zeit dem Brentella-Kanal. An Montebelluna vorbei geht es weiter an die Brenta; wo wir in Bassano del Grappa nächtigen. Am heutigen Tag haben wir drei Nord-Süd-Touren früherer Jahre gekreuzt.

- Vierter Tag: heute ist Sonntag und wir sind nicht die einzigen, die sich ins schöne Valsugana aufmachen, auch nicht die einzigen Radler. Die ersten Dutzend Kilometer sind laut und verkehrsreich, mit der Zeit wird es angenehm und wir radeln gegen das Gefälle und den Wind die Brenta aufwärts bis zum Caldonazzo-See. Die auf 90 heißen (und gegen den Wind) Kilometern gesammelten Höhenmeter versausen wir dann in wenigen Minuten hinunter nach Trient.

- Fünfter Tag: von Trient die Etsch aufwärts bis Bozen – mit dem Umweg über den Kalterer See durchs Überetsch. Dort steigen wir am Nachmittag in den Zug und sind wenige Stunden später wieder daheim im Salzberger Land.


Eine Kartenübersicht der Strecke verlinke ich hier.

In Summe waren es 478 Radkilometer; an den ersten vier Tagen jeweils um die 100, am fünften Tag dann 75. Die Temperaturen an den ersten Tagen waren ausgesprochen angenehm. Das großräumige Tief, das dem Norden Mitteleuropas Kälte und Regen bescherte, sorgte in Oberitalien für wohlige Tageshöchstwerte an die 25 Grad.


Wir steigen um sechs Uhr früh in Salzburg in den Zug nach Villach, das uns kühl und windig empfängt.


Eigentlich haben wir die Bahnkarten bis Arnoldstein, aber uns ist nach Fahren, Bewegung und frischer Luft. Außerdem verspricht der Wetterbericht lebhaften Wind aus Nordost; das wär perfekt für uns. Der Wetterbericht hat dann aber nur zur Hälfte Recht: der Wind kommt zwar nicht von hinten, sondern von vorne, aber er ist tatsächlich lebhaft. So radeln wir (wieder einmal) die Gail aufwärts bis Arnoldstein.




Bei Thörl-Maglern überqueren wir die Grenze und entern wieder den Alpe-Adria-Radweg.



Der ist auf den ersten Kilometern ziemlich nass; auch Kärnten und Oberitalien hatten in den letzten Tagen einiges an Regen abbekommen.



In Tarvis trinken wir wieder unseren ersten Espresso, verlassen dann aber den Bahntrassenradweg ins Kanaltal



und wenden uns nach Süden, in Richtung slowenischer Grenze und Sella Nevea.



Es geht recht angenehm und meist ruhig aufwärts; hier am Lago di Raibl



Langsam klart es auf (hier hatte der Wetterbericht Recht) und wir genießen diese Kilometer im Sonnenschein.



Die Sella Nevea auf 1.190 m ist rasch erreicht; der Ort selber ist unspektakulär und besteht aus einigen Hotels, wir vermuten, dass im Winter hier wesentlich mehr los ist. Danach folgt eine lange, rauschende Abfahrt durch das Raccolanatal.



Mehrere Kehren sind in Tunnels ausgebildet



wir genießen die lange und fast verkehrsfreie Abfahrt nach Chiusaforte. Auf halber Strecke pausieren wir kurz und merken an den Temperaturen, dass wir nun im Süden sind und wir viele Höhenmeter verloren haben, außerdem ist der Wind jetzt recht angenehm zu uns.





In Chiusaforte stoßen wir wieder auf die Pontebbana-Trasse und am alten Bahnhof wartet wie immer ein Illy-Kaffee auf uns.



Wir folgen der Ciclovia



bis Resiutta und erlauben uns trotz Absperrung noch einen weiteren Kilometer auf der Bahntrasse, die gerade neu für Radfahrer adaptiert wird,



müssen dann aber doch auf die Staatsstraße. Die Fella führt heute deutlich mehr Wasser als sonst um diese Jahreszeit.



Zwischen Resiutta und Venzone sehen wir mehrere Baustellen auf der Bahntrasse. Wenn das so weiter geht, kann man vielleicht nächstes Jahr auf durchgehendem Radweg bis Gemona radeln. In Venzone pausieren wir noch einmal kurz und nehmen dann die letzten zehn Kilometer bis Gemona unter die Räder.



Das waren heute 105 km und etwa 1.000 Höhenmeter.

Am nächsten Tag verlassen wir Gemona und überqueren den Tagliamento, dem wir auf der rechten Flussseite folgen.





Wir haben ruhige Nebenstraßen fast für uns alleine und die Landschaft erinnert uns oft an heimatliche Gefilde. Feigenbäume und Bananenstauden holen uns dann wieder in die Realität: wir sind in Italien.



Wir kreuzen mehrfach die alte Bahnlinie von Gemona nach Sacile, die im Forum im Frühsommer diskutiert wurde, ob noch Züge fahren würden. Jetzt können wir sicher sein:



Rechts von uns die Alpen, links von uns die Ebene, und hinter uns ein angenehmer leichter Rückenwind:



In einem kleinen Ort kaufen wir in einem winzigen Geschäft ein paar Lebensmittel. An der Wursttheke spricht mich eine Italienerin an, ob mir nicht kalt sei („non fa freddo?“) und zeigt auf mein kurzes Radleroutfit und dann auf Ihren dicken Pullover. Ich versichere ihr, dass das ideale Bedingungen für uns ciclisti seien und wir plaudern noch ein wenig über diese kühlen Julitage.

Der Blick in manche Gemüsegärten könnte fast neidisch machen





Über den Meduna sollte es eigentlich eine Furt geben, zumindest ist sie auf den OSM-Radkarten verzeichnet. Leider ist die Zufahrt unterspült (und verschwunden) und bei dem heutigen Wasserstand wär das sowieso nicht machbar. Wir legen also ein paar Extrakilometer für eine banale Brückenquerung ein.



In Maniago pausieren wir kurz und wundern uns über die Hässlichkeit des Betonklotzes mitten am Stadtplatz. Wir vermuten eine Bausünde nach dem Erdbeben von 1976.



Wenig später überqueren wir den Cellina. Die alte, sagenumwobene Straße ins Valcellina unmittelbar nach der Brücke ist versperrt und versiegelt. Wir radeln auf Rad- und Nebenstrecken weiter.





In Aviano ist die Nähe des US-Luftwaffenstützpunktes unverkennbar und auch wir gönnen unseren Pferden eine kurze siesta.



Bis Sacile sind es dann nur mehr 20 Kilometer und die durchgehend auf wunderbaren Nebenstraßen





Unser Etappenort Sacile nennt sich auch „Kleinvenedig“ oder „Il giardino della serenissima“ (98 Tageskilometer, 620 Höhenmeter)



Die Kanäle bzw. Flussarme, die sich durch die Stadt ziehen, geben diesen schönen Eindruck





Vor dem Abendessen genehmigen wir uns einen Aperitif direkt an einem der Kanäle. Das Lokal ist sehr belebt und am Nebentisch wird fröhlich gekifft. Allerdings nicht von den zahlreichen Amerikanern im Ort, die wohl zum Personal und den Familien der Airbase in Aviano gehören und interessanterweise auch nicht von jungen Leuten, sondern von mittelalterlichen Einheimischen.



Am nächsten Morgen verlassen wir Sacile nach Südwesten







Bei Colle Umberto kreuzen wir unsere Venedigtour (von Sillian durch die Dolomiten) von 2004



Colle Umberto sollte an diesem Tag nicht der einzige Hügel bleiben, der uns die Illusion von den Ebenen des Veneto raubt.



Heute haben wir nicht mehr die kleinen Sträßchen für uns, sondern streckenweise auch Verkehr. Trotzdem, es ist ein angenehmes und genussreiches Radeln.



Conegliano durchqueren wir rasch und halten wir nur, um zwei Reserveschläuche zu besorgen. Der heutige Morgen überrascht uns mit drei Platten innerhalb von zwei Stunden. Die freundliche Verkäuferin bringt uns zwei Müsliriegel nach draußen, als sie uns Reifenwechseln und Pumpen sieht.



Bei Susegana überqueren wir den Piave und kreuzen unsere Sillian-Ravenna-Tour von 2011 – was dem Fluss aber ziemlich egal scheint und ich mich auch an keine Bilder erinnern kann.



Ab Nervesa della Battaglia haben wir wieder eine wunderschöne Nebenstrecke für uns; für gut zehn Kilometer folgen wir dem Brentella-Kanal. Es geht leicht aufwärts und der Wind kommt von vorne. Es ist Samstag und die Radler, die uns entgegenkommen, haben interessanterweise alle einen entspannteren Gesichtsausdruck als wir.





Danach folgen noch schöne Kilometer, teilweise mit etwas Verkehr, teilweise ruhig



Es ist inzwischen ordentlich warm (anders als an den Tagen zuvor) Vortagen und wir erreichen bei gut 30 Grad Bassano del Grappa (95 Tageskilometer , 630 Höhenmeter)



Am berühmten Ponte degli Alpini kreuzen wir wieder eine frühere Nord-Süd-Tour und zwar unsere Etsch-Valsugana-Vicenza-Tour von 2009.





Blick von der Brücke brentaaufwärts; in diese Richtung geht es morgen.



Am nächsten Morgen starten wir an der Brücke und machen uns auf ins Valsugana.



Sonntag ist nicht nur Pantani-Tag, sondern stürzen sich auch viele laut und kräftig motorisierten Sonntagsfahrer auf die Straße.



Bis Valstagna Valsugana ist es laut und unangenehm zu radeln, danach wird es fast schlagartig ruhig.





Italien, wie wir es wenig kennen: heute treten die meisten Radler verbissen in die Pedale und haben kaum einen Blick für links und rechts. Aber dann doch immer wieder ein Peloton, wo jeder einzelne Fahrer ein freundliches „ciao“ oder „salve“ auf den Lippen hat.



Mit jedem Kilometer (bzw. jeder Brücke über die Brenta, die zur Schnellstraße führt) wird es ruhiger; hier wird Radeln wieder zum Genuss.





Am Bicigrill von Tezze steppt der Bär,



aber es gibt zum Glück auch ruhige Plätze zum Rasten und Verweilen



Der Radweg ist perfekt ausgebaut



Borgo Valsugana



Langsam, langsam gewinnen wir Höhe und die Brenta wird immer kleiner



Die letzten Kilometer im Valsugana führen durch Apfelplantagen und … Apfelplantagen



Zum Schluss führt der Radweg einige Kilometer am Caldonazzo-See entlang



Zumindest eine kleine Abkühlung muss sein



Bevor wir vom See ins Etschtal hinuntersausen dürfen, steht noch eine ordentliche Steigung an.



Heute sind wir 90 Kilometer beständig bergauf geradelt und hatten fast durchgehend Gegenwind. Die gewonnene Höhe verbrausen wir in wenigen Minuten und auf wenigen Kilometern – reinste Energieverschwendung und trotzdem ein Hochgenuss zum Abschluss des Tages.



Trient, Piazza del Duomo nach 103 Kilometern und 750 Höhenmetern.



Am nächsten Tag verlassen wir Trient auf dem Etschradweg in Richtung Norden.



Da wir einem Fahrverbotsschild wieder einmal nicht glauben wollen, bleiben wir auf unserer Flussseite und radeln ein paar Kilometer auf Wanderwegen durch eine Riserve Naturale, was letztlich eine schöne Abwechslung bedeutet,



… denn perfekt ausgebauten Radweg werden wir heute noch genug erleben:



Der Verkehr von Nord nach Süd ist natürlich deutlich stärker und natürlich sind viele Radler in Ausrüstung von Eurobike, Donau-Radtouren oder Girolibero dabei





Bei Auer verlassen wir die Etsch und werfen einen Blick auf den Kalterer See



bevor wir den Anstieg ins Überetsch in Angriff nehmen



Die Steilpassagen in der Sommerhitze kosten uns einige Schweißtropfen



Auf der Trasse der alten Überetscherbahn rollen wir dann wieder hinunter





Bei Sigmundskron erreichen wir wieder die Etsch



und haben die letzten Kilometer bis Bozen am Flussradweg vor uns. In Bozen essen wir noch eine Kleinigkeit, bummeln durch die Altstadt und setzen uns in den Zug Richtung Salzburger Land. Davor muss natürlich noch das offizielle Abschlussfoto gemacht werden: Edith, Hans und Walther




Fazit: sehr schöne Tour und auch nach Ende können wir sagen, es war die richtige Entscheidung, die geplante Prag-Tour nach Süden zu verlegen. Italien im Juli ist im Allgemeinen nicht das Radlerziel der Wahl, aber dieses Mal hat es gepasst, die ersten drei Tage sehr angenehme Temperaturen und die zwei heißen Tage waren letztlich auch zu ertragen.

Ein Teil der Strecke war ja nicht ganz neu für uns und trotzdem: Friaul, Veneto und Trentino sind immer wieder ein schönes Erlebnis für uns. Was uns dieses Mal überrascht hat, waren die völlig einsamen Strecken am zweiten Tag. Diese kleinen Nebenstraßen, die es hierzulande zu Tausenden gibt, haben wir uns schon öfters einmal erseht, an diesem Tag hatten wir sie praktisch durchgehend.

Ein weiterer Höhepunkt der Tour war natürlich die Sella Nevea am ersten Tag und die verkehrsarmen Kilometer vor der Passhöhe und dann durchs Raccolana-Tal bis Chiusaforte, sowie die Radstrecke durchs Valsugana.

Diese Regionen werden sicher nicht das letzte Mal auf unser Liste gestanden sein und da wird es noch vieles zu entdecken geben. Für uns ein weiterer Vorteil ist die gute Erreichbarkeit. Villach ist gut zwei Zugstunden von uns entfernt und auch die Bahnlinie im Etschtal ist für uns recht günstig.