Bist Du so stark wie ein Postbus? Schweiz 2018

von: touromat

Bist Du so stark wie ein Postbus? Schweiz 2018 - 31.08.18 09:27

6 Tage - 720 km – 12.500 Höhenmeter


14. Juli 2018: Allgäu – Maienfeld – 175 km – 1.000 hm

Pässe: keiner


Dieser Tag dient der eher lockeren Anreise hin zu den ersten Pässen. Wir durchqueren zunächst das Oberallgäu; sehr nett dann die Fahrt auf Mini-Straßen von Isny über Wangen. Hier ist gerade Markt und wir genehmigen uns an einem Stand einen Fischsemmel, was mich irgendwie an die Vorjahres-Tour nach Flensburg erinnert.

Hübsch auch die Fahrt an der Laiblach Richtung Bodensee. An der Promenade in Bregenz ist der Teufel los an diesem schönen Sommertag und schließlich landen wir auf dem Rhein-Radweg, der uns heute an unser Ziel bringen wird.

Es ist sehr heiß heute, der Radweg zieht elendiglich und es gibt nirgends einen Brunnen, Geschäfte oder sonst irgendwas, wo man Getränke kaufen kann.

Irgendwann biegen wir links ab in ein Dorf und finden eine Tankstelle mit kalten Getränken. Eiskaltes Fanta, genial.

Nebenbei stellen wir fest, dass wir uns in Liechtenstein befinden und somit habe ich rein zufällig ein neues Reiseland „erobert“.

In Maienfeld beziehen wir das schöne Hotel mit dem passenden Namen „Swiss Heidi“. In der Nähe wurden wohl die berühmten Heidi-Filme gedreht. Das Abendessen vor einer schönen Gastwirtschaft ist gut und nicht ganz so teuer wie befürchtet.




Swiss Heidi Hotel mit einem witzigen Kunstwerk. Auf dem Parkplatz eine große E-Tankstelle und einigen daran hängenden Teslas.



15. Juli 2018: Maienfeld – Disentis – 85 km – 1.900 hm

Pässe:
Kunkelspass (1.357 m)
Versam (910 m)


Heute folgt gleich die große Unbekannte: Der Kunkelspass ist bestimmt die weitaus schönere Alternative, als weiterhin auf dem Rhein-Radweg zu bleiben. Aber die Abfahrt nach Tamins ist geschottert und steil; über den Zustand gibt es unterschiedliche Gerüchte, aber der Tenor ist, dass von der Befahrung mit Rennrädern abgeraten wird.

In Bad Ragaz – dem Nachbarort von Maienfeld – geht der Spaß gleich los. Zunächst auf guter Straße mit angenehmer Steigung; teilweise auch eben, dazwischen ein Bergsee, ein bisschen auf und ab bis zur letzten kleinen Ortschaft im Tal. Ruhig und schön.

Danach ein teilweise sehr steiler asphaltierter Almweg; durchaus anspruchsvoll, aber machbar. Oben ist eine schöne bewirtschaftete Alm umgeben von hübscher Berglandschaft.



Auf dem Kunkelspass



Am Kunkelspass



Wir machen uns also auf eine längere Schiebestrecke bergab gefasst (hier heißt es übrigens „stoßen“ und nicht schieben) und nehmen vorsichtig die Abfahrt in Angriff. Zunächst noch nicht allzu steil, bald schon folgt der legändere Tunnel mit spektakulären Ausblicken aus mehreren Felslöchern.



Tunnel am Kunkelspass



Felsen-Fenster mit Aussicht


Der Schotterweg ist jedoch in einem relativ guten Zustand; wir bremsen uns mit mäßiger Geschwindigkeit herunter und etwa auf halber Höhe geht der Schotter wieder in Asphalt über. Die Abfahrt nach dem Tunnel ist durchgängig sehr steil und mit engen Kurven. Intervallbremsen? Bremse ab und zu lösen, damit die Bremsscheiben bzw. die Felgen nicht überhitzen? Ja wie denn? Geht nur mit Dauerbremsen; der ultimative Bremsentest.

Für mich war das übrigens die erste steile Abfahrt mit Scheibenbremsen und das ging spürbar entspannter. Keine schmerzenden Handgelenke oder verspannte Schultern.

Mensch und Material heil unten angekommen geht es gleich über den Rhein in Richtung Versam. Durchaus anstrengend in der Mittagshitze und mehrmals Höhenmeterverlust. Einige schöne Ausblicke runter in die Rheinschlucht.




Der Rhein - Versamschlucht


In Ilanz möchten wir die vielbefahrene Straße meiden und folgen einige Kilometer einem relativ ruppigen Radweg der für uns recht mühsam zu fahren ist. Nach dem zweiten Platten wechseln wir wieder auf die Hautstraße Richtung Disentis. Kein Spaß; Knallhitze, nerviger Verkehr, aber manchmal muss man halt auch durch so etwas durch.

In Disentis finden wir ein hübsches Zimmer zum angemessenen Preis. Abends sehen wir uns das WM-Finale Frankreich gegen Kroatien an.



16. Juli 2018: Disentis – Hospental – 120 km – 2.800 hm

Pässe:
Lukmanier (1.972 m)
Gotthard (2.109 m)



Sicher wird sich jetzt der halbwegs informierte Geographie-Kenner fragen, wie es hier zu 120 km kommen kann, liegen die beiden Orte doch nur ca. 35 km weit auseinander.

Eines der Highlights der Tour sollte jedoch der Anstieg über die berühmte Tremola-Schlucht auf den Gotthard sein. Als Bonus bekamen wir noch den Lukmanierpass dazu, von dem ich nicht viel erwartet habe, der mir dann aber sehr gut gefallen hat. Wir fahren also den langen Haken über Biasca. Ein langes Tal runter bis auf 300 m Meereshöhe und ein ewig langes Tal wieder hinauf nach Airolo.




Lukmanierpass – 1.920 m

Der Lukmanierpass ist angenehm zu fahren und nicht besonders schwer, man hat ja in Disentis schon eine gute Ausgangshöhe.




Am Lukmanierpass.



Statue am Lukmanierpass. Leider weiß ich nicht, was sie bedeuten soll.



In der Abfahrt vom Lukmanier. Vor Olivone kann man auf ein wunderbares einsames Sträßchen mit Radwegbeschilderung abzweigen.



Olivone


Das Straßengewirr bei Airolo erweckt den Eindruck, ein verrückt gewordener Straßenbauingenieur hätte hier seinen aberwitzigsten Traum realisiert. Aber schon kurz nach dem Ort können wir auf die alte Gotthard-Straße wechseln.

Die Auffahrt über die Tremola ist ein Traum. Tolle Landschaft, ausgeglichene Steigung, nicht allzu steil und dadurch trotz des Pflasters flüssig zu fahren.

Im unteren Bereich eine Mini-Baustelle; hier wird in Handarbeit schadhaftes Pflaster ersetzt. Schön, dass dieses einzigartige Straßenbauwerk erhalten wird.



Tremola – Auffahrt zum Gotthard



In der Tremola-Schlucht. Oben sieht man eine Galerie der neuen Straße.



Hübsche alte Brücke in Hospental



Hospental

Die Unterkunft, die wir in Hospental finden ist teuer, die Zimmer dafür sehr einfach. Das ganze Haus scheint sehr in die Jahre gekommen; nicht aber im Sinn von heimeliger alpenländischer Gemütlichkeit, sondern dass hier schon lange nicht mehr renoviert wurde. Wir genehmigen uns ein Radler auf der Terrasse und studieren die Speisekarte mit (unverschämt) ungewöhnlich hoch erscheinenden Preisen. Ich meine damit den Vergleich mit z. B. dem Restaurant vom Vortag. Liebe Wirtsleute, nicht wundern, wenn bei euch niemand speist.

Im Ort ist nichts los; keine Touristen zu sehen. Wir kehren in der Dorfwirtschaft ein. Der Gastraum ist wie ein Trip in die Vergangenheit. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es wurde bestimmt seit den 60-er-Jahen nichts gemacht. Trotzdem erstaunlich gut besucht. Es scheinen alles Einheimische zu sein, was uns als gutes Zeichen erscheint.

Leider kann man sich nicht mal mehr auf die Einheimischen verlassen; das Essen war einfachste Aufwärmkost, überteuert, Mini-Portionen. Die Wirtin passt sich dem Niveau des dargebotenen (Fraßes) Essens an und ist extrem unfreundlich. Möglicherweise stören wir die glückselige Dorf-Geselligkeit durch unsere Anwesenheit. Das erste Mal seit Jahren gebe ich kein Trinkgeld.

Interessant war auch zu beobachten, wie sich mehrere (fettleibige) wohlgenährte ältere Herren Unmengen von Käse-Fondue (in die Wampe hauten) zu Gute führten. Allein beim Zusehen wurde mir schon fast schlecht. Gerne verlassen wir diesen Gourmet-Tempel so bald wie möglich.

Das war aber auch schon die einzige derartige Erfahrung auf dieser Tour.

Abschnitt 2 folgt demnächst.