Re: 5 Jahre Fahrradweltreise: Deutschland - Japan

von: VAEGABOND

Re: 5 Jahre Fahrradweltreise: Deutschland - Japan - 08.12.20 09:06

Nun aber zu unseren Abenteuern seit unserem zweiten Start in Deutschland, nachdem wir Marokko wegen der COVID-19 Pandemie verlassen mussten und die Grenzen geschlossen wurden. Während der Lockdown Phase hatten wir etwas Zeit, um unsere Tourenräder zu warten (Videos zur Wartung auf https://Youtube.com/vaegabond) und reparieren sowie die Erlebnisse Revue passieren zu lassen und in Worte sowie Videos zu verarbeiten.

Mai 2020 - Jetzt noch viel mehr: wann geht´s weiter?
Während der vielen Monate, die wie durch die Weltgeschichte geradelt sind, lernten wir nicht nur unsere Heimat Deutschland besser kennen. Wir erhielten auch von Ländern, wie den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich oder wie zuletzt in Marokko, einen sehr tiefen Einblick in die unterschiedlichen Kulturen und Bräuche. Das allerschönste dabei war sich einfach treiben zu lassen und sich wirklich die Zeit für solche Dinge zu nehmen. Dabei haben wir viele tolle Menschen kennengelernt und auch viel von ihnen gelernt.
Nun sind wir ja mittlerweile wieder in Deutschland. Aus dem kurzen Heimatstopp wurde unversehens leider eine verlängerte Corona Zwangspause. Auf jeden Fall haben wir diese Zeit nicht auf dem Sofa verbracht und untätig gewartet, bis es weiter geht. Etwas mehr als zwei Monate haben wir nun jeden Tag entweder Unmengen von Bildmaterial in Videos und Blogbeiträge verwandelt oder unsere Tourenräder auf Vordermann gebracht. Die Köpfe rauchen langsam und wir wünschen uns nichts lieber, als uns wieder zurück in den Sattel schwingen zu können und ferne Länder zu erkunden.
Erstmal wird es hoffentlich bald Richtung Österreich gehen, sobald es die allgegenwärtige gesundheitliche Lage zulässt. Danach die Adria entlang, durch Kroatien bis hin nach Albanien. Von dort aus wollen wir dann nach Bulgarien. Die weitere konkrete Routenplanung ergibt sich dann Schritt für Schritt. Bis nach Japan haben wir ja noch ein paar Länder, die dazwischen liegen.
Wie lange wir noch warten müssen, bis die Grenzen wieder passierbar sind, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist dass wir mehr denn je darauf brennen, unsere wunderbare Welt und die Natur entschleunigt mit unseren Fahrrädern genießen zu können. Wir hoffen dabei wieder auf viele Einheimische zu treffen und von ihnen lernen zu können. Denn ohne diese einzigartigen Begegnungen würden wir so viele Dinge nur oberflächlich kennenlernen und auch so manche Bräuche nicht wirklich begreifen. Nebenbei entwickeln sich so wunderbare Freundschaften rund um den Globus. Bleibt nur noch abzuwarten, wann wir wieder aufbrechen können.





Juni 2020 - Erste Grenzen öffnen: Wir rollen wieder
Die allgemeine Corona Situation hat sich zum Glück soweit verbessert, dass nun Schritt für Schritt wieder die Grenzen zu anderen Ländern öffnen. Wir nutzten die Gunst der Stunde, da wir es eh kaum erwarten konnten endlich weiter zu radeln und verließen (nun zum 2. Mal) Bamberg.
Das Gefühl wieder im Sattel zu sitzen war einfach unbeschreiblich schön. Wir müssen aber auch dazu sagen, dass uns doch ein wenig mulmig zumute war. Trotz der Lockerungen bezüglich der Corona Pandemie, ist das Bewusstsein der Krankheit natürlich noch allgegenwärtig. Wir waren erstaunt. In manch deutschen Städten sahen wir Menschen, die die Situation sehr ernst nahmen und die Sicherheitsvorkehrungen, wie z.B. das Einhalten eines Sicherheitsabstandes und das Tragen von Schutzmasken nach wie vor einhielten. Sogar Autofahrer, die allein umherfuhren, trugen Masken.
In anderen Städten jedoch, tummelten sich die Menschen auf öffentlichen Plätzen und unterhielten sich keine Armeslänge entfernt mit Polizisten oder hielten sogar kleine Volksfeste mit Imbissbuden ab. Wir selbst wollen während der Fortsetzung unserer Fahrradweltreise natürlich weder uns noch andere gefährden. Aus diesem Grund versuchen wir Kontakte mit Anderen soweit es geht zu meiden und die Maßnahmen einzuhalten. Da wir seither einige Fragen bezüglich dem Reisen nach dem Corona Lockdown erhalten haben, haben wir hierzu bereits brandaktuell ein FAQ Video verbunden mit den ersten Reisetagen in Deutschland veröffentlicht. Das Video findest du hier.
Außerdem haben wir bereits die Grenze zu Österreich passiert und mit unseren voll beladenen Reiserädern die Alpen überquert. Wir sind unheimlich stolz auf uns, dass wir diesen doch sehr anstrengenden Teil unserer weiterführenden Etappe trotz längerer Zwangspause recht gut gemeistert haben. Unsere Belohnung ist die atemberaubende Aussicht auf die Berge, die Almen und die weit unten liegenden Täler. Demnächst wird es uns entlang der Adria Richtung Kroatien verschlagen. Aber alles zu seiner Zeit. Bis dahin informieren wir uns regelmäßig über die aktuellen Grenzsituationen und gesundheitliche Einschränkungen bzw. einzuhaltende Maßnahmen und genießen die Natur – fernab von Menschenmassen.




Juli 2020 - Unsere Eindrücke nach dem Lockdown
Die europäischen Grenzen wurden für den normalen Tourismus wieder geöffnet. Innerhalb von einem Monat hatten wir so die Möglichkeit von Deutschland über Österreich, nach Italien, Slowenien und nach Kroatien zu radeln. Dabei hatten wir die Gelegenheit zu beobachten, wie unsere Nachbarländer mit dem Corona-Virus umgehen.
Mai/Juni 2020, Bayern: Das Bewusstsein für das Virus war allgegenwärtig zu spüren. Überall trugen die Menschen um uns herum Mundschutz und Handschuhe. Ein Sicherheitsabstand wurde mehr oder weniger eingehalten. Viele Menschen drängte es raus, und wir sahen unterwegs viele Spaziergänger und Radfahrer. Um die Rosenheimer Region bemerkten wir, dass sich hier fast keiner mehr darum scherte, ob der Nebenmann in der Fußgängerzone direkt neben ihm vorbeischlenderte. Wir versuchten, so gut es ging größere Menschenmassen zu vermeiden und hielten unbewusst die Luft an, wenn jemand unseren Weg kreuzte.
Die Grenze zu Österreich verlief unspektakulär und fast hätten wir noch nicht einmal bemerkt, dass wir uns bereits auf ausländischen Grund und Boden befanden. Bei Bad Reichenhall schlugen wir einen Fuß- und Radweg ein, der direkt ins Nachbarland führte. Lediglich ein Schild, das mit grünen Ranken fast zugewachsen war, tat die Neuigkeit kund. In Österreich selbst hielten sich die Menschen gefühlt auch eher zurück. Mittlerweile war es dort allerdings wieder möglich zu mehreren Personen in einem Lokal zu essen – nicht draußen, sondern drinnen.
Juni 2020, Italien: Gar nicht geplant, aber im Anbetracht der vielen Vorschläge, die wir hinsichtlich toller Routen bekommen, mussten wir einfach den Weg nach Italien einschlagen. Wir kamen an die Grenze, sahen einige Polizisten in ihrem Wagen sitzen – und nichts geschah. So radelten wir einfach nach Italien. Kaum auf der anderen Seite angekommen, wurden wir applaudierend von älteren Herrschaften begrüßt, die in gemütlicher Runde ihren Wein schlürften. Die Stimmung war hier irgendwie lockerer, obwohl es Italien hinsichtlich der Todes- und Krankheitsfälle besonders hart erwischt hatte.
In Slowenien befanden wir uns nur für einen knappen Tag und fuhren sogleich an die kroatische Grenze. Hier wurden wir zum ersten Mal nach unserem Pass gefragt und wo wir hin wollten. In Kroatien hatten wir das Gefühl, dass überhaupt niemand mehr daran dachte, sich vor einer Ansteckung mit dem Virus zu schützen. Nur in einigen Geschäften trug das Personal Mundschutz, ansonsten sah hier der Alltag wohl so aus wie immer. Nein, nicht ganz. Was sehr auffällig war, war die Abwesenheit der sonst so zahlreichen Touristen. In Porec war die Küstenmeile wohl auf etwa 30.000 Besucher eingestellt. Als wir dort waren, wären dort nur rund 2.000 zum Urlaub machen dort.
Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht, wo es uns hin verschlägt und wie lange es dauert, bis keine Beschränkungen und Sicherheitsvorkehrungen mehr bezüglich Corona notwendig sind.
Bis dahin geben wir auf uns und andere Acht und rollen immer weiter an der Küste entlang.




August 2020 - Montenegro: nicht umsonst versteckt sich das „Monte“ im Wort
Die letzten Wochen radelten wir fleißig weiter durch Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro und sind nun schließlich in Albanien. Die Landschaft ist atemberaubend, allerdings auch für Melli ein kleiner Kraftakt. In Montenegro toppten wir fast jeden folgenden Tag die Höhenmeter vom vorherigen Tag. Ein besonderer Tag dort wird uns wahrscheinlich immer in Erinnerung bleiben.
Wir radelten an der Bucht von Kotor entlang und jedes kleine Dörfchen war schöner, als das andere. Die Steinhäuser waren fast ausnahmslos sehr liebevoll hergerichtet und mit Pflanzen und Blumen dekoriert. Verschnörkelte Bänke und Stühle auf den Terrassen machten das Bild komplett. Da wir uns an der Küstenlinie befanden, radelten wir für einen Tag logischerweise auf Höhe des Meeresspiegels, also bei 0 Höhenmetern. Da die Temperatur der letzten Tage durchschnittlich 37°C betrug, standen wir bereits gegen 5 Uhr morgens auf, um noch die kühlere Brise auszunutzen. So umrundeten wir die Bucht von Kotor bei angenehmen Temperaturen.
Ein paar Stunden später befanden wir uns schon auf 100 Höhenmetern und schwitzten wieder was das Zeug hielt. Jede Gelegenheit an Wasser zu kommen nutzten wir aus und fragten bei jeder kleineren Häuseransammlung in den Bergen nach einem Wasserschlauch, um uns nass zu spritzen. Einmal wurden wir sogar eingeladen, in den Pool der Kinder zu hüpfen und bekamen eine eisgekühlte 1,5 Liter Wasserflasche geschenkt. Der anstrengendste Teil des Tages kam. Unzählige Serpentinen in einer Affenhitze. Die Kräfte ließen nach. Das Wasser wurde knapp. Melli kam an ihre Grenzen, doch irgendwie schafften wir es am Ende des Tages tatsächlich auf 900 Höhenmeter.
Wir fragten an einer Bar, die sich die herrliche Aussicht zunutze gemacht hatte und direkt auf dem Fels eine Terrasse gebaut hatte, ob wir dort unser Zelt aufschlagen durften. Kein Problem. Mit der Zeit strömten immer mehr Leute dorthin. Schnell war der Grund dafür auch gefunden. Der Sonnenuntergang war magisch von hier oben und unter uns hatte man einen wundervollen Blick auf die Bucht von Kotor.
Mit letzten Kräften bereiteten wir auf unserem Kocher unser Abendessen zu. Deutsche hatten uns entdeckt und waren derart von den Socken, dass wir doch tatsächlich von Bayern hier her geradelt sind und noch viel weiter wollen, dass sie uns zwei Getränke unserer Wahl spendierten. Wir waren total glücklich. Mit einem wohlverdienten Bier in der Hand, einem vollen Magen und dem wohl schönsten Schlafplatz, den man sich nur vorstellen kann.




September 2020 - Nach 1 Jahr Radreise in Land #15 - Bulgarien
Vor einigen Tagen radelten wir im Süden Bulgariens durch einsame Bergdörfer. Verwundert wurden wir von einem Einheimischen angesprochen (der übrigens im Umkreis von 50km der einzige englisch sprechende Bulgare war), wie wir diesen Ort überhaupt gefunden hätten. Die Straße dorthin verwandelte sich nach einigen Metern in steinige Schotterwege mit tiefen Furchen. Auch die nächsten 15km bis zum Berggipfel sollten nicht besser werden. Wir antworteten, dass wir gerade eben von der Landschaft so fasziniert sind, dass wir kleinere Orte und Straßen den Großstädten und Highways vorzogen. Und das war absolut die Wahrheit. Diese Etappe war malerisch, zwar auch sehr mühsam, aber unglaublich friedvoll und wunderschön. Wir hatten die Gelegenheit mit diesem Mann einige Häuser des kleinen Dorfes genauer zu betrachten. Von etwa 60 Häusern, waren derzeit nur noch 20 bewohnt. Der Rest befand sich in einem sehr baufälligen Zustand. Trotzdem übte dieser Ort eine gewisse Art Magie auf uns aus.
Danach ging es weiter Richtung Gipfel. Der Schotter wurde allmählich zu Sand und die Furchen wurden größer. Die Steigung nahm ebenfalls zu. In Kroatien und Montenegro hatten wir uns schon an das stetige bergauf fahren gewöhnt. Dies war hier allerdings nochmal ein bisschen anders. Schon nach kurzer Zeit konnte Melli nicht mehr treten und musste das Rad schieben. Dani legte kurze, aber äußerst anstrengende Powerschübe hin. 5 Meter fahren. Pause. 5 Meter fahren. Pause. So legten wir geschlagene 4 Stunden eine Strecke von ca. 5km zurück. Wahnsinn! So hart hatten wir uns bisher noch nicht den Berg hinauf gekämpft. Trotzdem waren wir uns einig, dass uns die letzten Monate mehr gestählt haben und wir solche Bedingungen einfacher wegstecken, als zuvor. Gelohnt hat sich es ebenso für uns
Übrigens haben wir genau vor einem Jahr den Schritt gewagt und sind auf die Räder gestiegen, um die Welt zu erkunden. Bulgarien ist damit schon unser Land #15. Und nach wie vor lieben wir das Reisen mit dem Rad! Alles was wir bisher erlebt haben, all die tollen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, all den Strapazen (über Berge, gegen den Wind, bei Kälte, bei Unlust) zum Trotz, all die Momente die wir gemeinsam feierten oder uns gegenseitig nicht riechen konnten – all das war es bisher sowas von Wert unsere Jobs und unsere Wohnung zu kündigen! Wir sind über Landesgrenzen geradelt und an unsere eigenen Grenzen gekommen, sind über uns selbst hinausgewachsen und haben Lebensweisen und Einstellungen kennengelernt, die wir selbst in unser Leben integrieren möchten. Dafür sind wir überaus dankbar! So etwas kann man nicht im Reisebüro buchen, sowas muss man auf eigene Faust mit etwas Zeit im Gepäck selbst erforschen.

Bilder gibt’s auf https://instagram.com/vaegabondsworld