Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges

von: veloträumer

Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges - 06.01.23 21:37

In Antwort auf: natash
Ich kann das gut verstehen, weil mir das auch oft so geht und dann denke - herrjeh, Deine bescheidenen Touren sind für so richtige Reiseprofis vermutlich einfach zum Gähnen langweilig, zu kurz und zu unspektakulär, die Bilder eher zufällige Schnappschüsse, ...
Andererseits machen vermutlich viele ähnlich unexotische Touren und fühlen sich inspiriert.

Diese These von "richtigen" Reiseprofis, die nur in exotischen Ländern rumreisen und sich nicht mehr profane Touren im Nahbereich des eigenen Lebens interessieren, mag vereinzelt für Globetrotter zutreffen, ich halte sie aber für irreführend und letztlich für einen Mythos. "Reiseprofis", die damit Geld verdienen (Influencer, mit Sponsoren etc.), sind immer noch wenige und nicht der Kern in diesem Forum. Sie sind auch keine große Radreisegruppe, sondern die größte Radreisegruppe sind profane Radwegfahrer, die in ganz vertrauten Regionen unterwegs sind, ggf. auch in den Alpen - wie auf Donauradweg, Via Rhone, EV 6, Via Claudia Augusta oder einfach mal Radwege an Neckar oder Saale. Für die meisten sind Berge und Steigungen immer noch die größte Hürde - trotz des Erfolgs von E-Bikes & Co. Diese Gruppe wird hier bei vielen Stammschreibern häufig ganz ausgeblendet.

Eine weitere Gruppe von "Reiseprofis" verdient damit Geld, dass sie professionelle Touren durchführen (Guides, Tourenanbieter) - meistens in sich wiederholenden Revieren. Die sind selten exotisch und reichen von einfachen Radtouren an Wasserwegen über organisierte Rennradtouren meist im mittleren Europa oder Mallorca bis zu Alpencrossern zwischen Garmisch und Gardasee. Wahrscheinlich meinst du beide Gruppen nicht wirklich.

"Reiseprofis" sind aber im üblichen Sprachgebrauch auch Leute, die ihre Radreisen vergleichsweise professionell gestalten (eigene Planung, geeignete Ausrüstung usw.) und dabei auf eine reiche Erfahrung zurückgreifen können. In diesem Sinne bist du selber ebenso Radreiseprofi wie ich auch, und biotom natürlich auch. Über die Reviere sagt das zunächst mal nichts aus. Eine Spezialisierung auf bestimmte Regionen führt aber sicherlich dazu, dass man mehr "Reiseprofi" für eine Region wird als andere. Weltreisende sind oft schon dadurch "Reiseprofis", weil sie sich entsprechend vielfältigen organisatorischen Herausforderungen stellen müssen. Das qualifisziert sie aber noch nicht zu Spezialwissen über Regionen oder professionelle Radtourengestaltung für die Masse (auf Radwegen usw.).

Nicht nur hier, sondern noch weit mehr außerhalb des Forums, kannst du eine immer stärkere Segmentierung der Radreisegruppen finden: E-Biker, Bikepacker, Mountainbiker, Flussradwegfahrer, Straßenfahrer, Querfeldeinfahrer, Alpentourer, EV-Transeuropafahrer, Globetrotter, Wildcamper, Hotelfahrer, Schnee- und Eisfahrer, Städteradler, Kulturfahrer, Seniorenradler, Familienradler, Charity-Radler und und und... Die Abgrenzung der Gruppen hat sich schon seit Jahren immer stärker ausgeprägt, gegenseitiges Interesse verengt sich, man sucht Identität in engsten Kreis. Früher war mal jeder Radreisende als solcher schon interessant (ein Begriff reichte aus), die Gruppe war auch überschaubarer.

In Social Media kann man das noch besser studieren, in Facebook gibts für fast jede denkbare Variante eine oder mehrere Gruppe(n). Das macht sich eben auch in der gegenseitigen Kommunikation und dem gegeneitigen Interesse insgesamt negativ bemerkbar. Die soziale Interaktion sinkt trotz Social Media, wahrscheinlich sogar wegen Social Media. Im weitesten Sinn ist auch das Forum "Social Media", Foren sind eigentlich der Vorläufer davon.

Biotom macht Touren, die sich weitgehend abseits vom Mainstream bewegen = exotisch (exotisch heißt nicht automatisch Urwald auf fernen Kontinenten). Weiters sind die Touren extrem, was die Wegebeschaffenheit angeht (=SEHR exotisch). Damit scheiden die meisten Reiseradler gänzlich aus, ist eher ein Mountainbikethema, manchmal sogar eher was für eine Wandergruppe. Selbst bei Bergtouren auf Straßen steigen schon viele Radreisende aus, der Kreis wird kleiner. Radwegfahrer & Co fallen ganz raus, finden da keine Inspiration, können es allenfalls bewundern. Damit fehlen die ganz großen Gruppen schon gänzlich. Dass ich mich für biotoms Touren interessiere, hat mit meinem Interesse für mitteleuropäische Gebirge, insbesondere den Alpen, zu tun. Schon bei der Routenführung bin ich aber raus, das meiste ist für mich unfahrbar, obwohl ich nicht unbedingt nur "einfach" fahre. Man sollte sich seines Exotenstatus auch schon etwas bewusst sein - das erklärt dann auch das eine oder andere fehlende Interesse.

Das alles wird nicht viel weiterhelfen, denn die Hauptursachen für die geringe Teilhabe am aktiven Austausch im Forum und ggf. auch woanders sehe ich wo ganz anders. Und das hast du auch angedeutet, es beschränkt sich nicht allein auf die Rubrik Reiseberichte und letztlich auch nicht allein aufs Radreisen als solches, sondern betrifft den gesamten sozialen Austausch in modernen Zeiten.