Re: Südtirol (Dolomiten und Ortler-Alpen)

von: oktopus

Re: Südtirol (Dolomiten und Ortler-Alpen) - 21.07.23 12:38

Tag 10 (Gomagoi an der Stilfserjoch Passstraße – Stilfserjoch – Passo Umbrail – Bormio):
Es geht los!

Ich war leicht bis schwer nervös. Den Großteil meines Frühstücks, das mir die Wirtin wunschgemäß schon um 7 Uhr vorbereitet hatte, ließ ich stehen und packte es ein.
Als ich mein Rad fahrbereit machte, stieg ein Radfahrer auf der anderen Straßenseite ab, um ein wenig zu verschnaufen – ebenfalls mit Packtaschen beladen, hochrot im Gesicht, schweißtriefend. Keine Ahnung, woher er kam. Ich vermutete, dass er in Prad gestartet war. Ich stieg auf mein Rad, der Radfahrer überholte mich bald, und ich sah ihn eine Zeitlang vor mir. Bis nach Trafoi war er immer in Sichtweite.

Die morgendlichen Temperaturen waren angenehm kühl. Ich fuhr auch die erste Zeit im Schatten. Ein Tunnel, eine kurze Doppelkehre, eine Gerade und noch eine kurze Doppelkehre, und ich war in Trafoi, wo ich durch zwei Baustellenabschnitte fahren musste. Was macht man als Radfahrer, wenn man sich einer Baustelle mit Ampelregelung nähert? Ganz genau. Man fährt bei rot hinein. Wozu soll ich absteigen, wenn mir eh nix entgegenkommt. Beide Baustellen konnten gut eingesehen werden. Ich steig doch nicht unnötig ab!

Bis hierher hielt sich der Steigungsgrad in Grenzen (bzw. war ich noch fit und mir machte die Steigung noch nichts aus). Nach Trafoi ging es in den Wald und die Kehren häuften sich. Die Kehrengruppe im Wald fand ich super. Maximal 10 %, die Kehren brachten Abwechslung in den Anstieg, die Landschaft war schön. Ich konnte sogar unterm Fahren fotografieren. Ich mag Kehren! Steile Abschnitte fahren sich viel leichter auf einer kurvigen Straße als auf einer Geraden. Lange steile Geraden sind zäh, aber Kehren lockern den Anstieg auf. Und ich hab meinen Trick 17 bei Kehren. Ich fahr vorher diagonal, nehm die Kehre auf der Außenkante und fahr danach wieder diagonal. Das geht natürlich nur, wenn die Straße leer ist.  Und zu diesem Zeitpunkt war sie das noch!

Irgendwo im Wald fuhr ich an dem bepackelten Radfahrer vorbei. Danach sah ich ihn nicht mehr. Ob er je oben angekommen ist, weiß ich nicht.
Auf einmal wurde es doch steiler. 13 %, 14 %. Die vorletzte Kehre im Wald hatte 14 %. Uiiii. Es blieb bei 14 %. Die letzte Kehre im Wald hatte ebenfalls 14 %. Und auch danach blieb es bei 13 bis 14 %. Es wurde zach.

In einer leichten Rechtskurve sah ich ein Chalet und einen Parkplatz auf der linken Seite. Zeit für einen Stopp!

Weiter ging's nach einer Banane und ein paar Schluck Wasser. Gerade – steil – Durststrecke. Unter 10 % sah ich nichts mehr auf meinem Navi, eher so gegen 11 bis 12 %. Aber es kamen weitere Kehren. Super! Steil – Kehren. Besser als Steil und gerade. Auf der linken Seite sah ich die Franzenshöhe mit einem Bergrestaurant. Ursprünglich hatte ich gedacht, dort meinen nächsten Stopp zu machen. Aber ich fuhr daran vorbei und machte meinen nächsten Stopp erst in der nächsten Kehrengruppe.

Dahinter sah ich bereits das Kehren-Nirvana. Auch das Stilfserjoch war ab der Franzenshöhe bereits in Sicht!

Weiter ging's. Ich sah nur noch 12 %, 13 %, 14 % und wieder 12 % auf meinem Navi. Von moderat wie zu Beginn war keine Rede mehr. Kehre um Kehre kletterte ich im Kehren-Nirvana höher und höher. Entweder sah ich das Stilfserjoch vor mir und die vielen vielen vielen Kehren über mir – oder ich sah den Ortler, wenn der Hang an meiner linken Seite war.
In der Kehre 9 – mitten im Kehren-Nirvana – musste ich noch einmal absteigen.
Den Rest fuhr ich dann Kehre um Kehre bis rauf!

Bist du g'scheit ist das steil! Steil – zach – endlos – aber ich war tatsächlich OBEN!!!!

2.758 m ist der höchste Punkt, den ich je mit meinem Fahrrad erreicht habe.
Auf der Passhöhe ging's zu wie auf der Südosttangente. Ein Trubel, ein Lärm. Auch auf dem letzten Kehrenabschnitt war ich nicht mehr allein unterwegs. Motorradfahrer, Autos und Radfahrer fuhren mit mir den Pass rauf. Aber ich hatte in Bezug auf Motorräder und Autos viel Schlimmeres erwartet bzw. befürchtet.

Nach einem Eisbecher auf der Passhöhe fuhr ich weiter bzw. auf der anderen Seite wieder runter. Und da sah ich noch eine weitere Passtafel. So lob ich mir das. Ein ordentlicher Pass hat gleich 3 Passtafeln :-)

Nach ein paar Kehren erreichte ich die Abzweigung zum Umbrail Pass. Den konnte ich quasi im Vorbeifahren mitnehmen, bevor ich eine lange Abfahrt nach Bormio genießen konnte.

Die lange Abfahrt nach Bormio war herrlich!

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Tag 11 (Bormio – Passo Gavia – Ponte di Legno – Beginn des Passo del Tonale):
Der nächste Pass. Und auch der war kein kleiner Hügel.

Zu Beginn fuhr ich moderat bergauf und hatte nur ab und zu steilere Anstiege. Bis Santa Caterina. Hier wurde es doch steiler und auch zäher. Nach insgesamt 20 km wusste ich, dass ein Steilstück auf mich wartete. Ich sah es auch bereits nach einer Linkskurve. 12 %, 13 %, noch steiler? 14 %. 15 %. 16 %!!!! 1,5 km lang war dieses Steilstück, danach ließ es nach und wurde fast schon flach. Ich fuhr an einem See vorbei (Lago Bianco) und sah schon eine Hütte mit einer Tafel davor. Angegeben waren 2.652 m, aber diese Angabe bezweifle ich. Im Internet gibt es unterschiedliche Angaben zwischen 2.625 m und 2.652 m, mein Navi zeigte 2.623 m an.

Von nun an ging's bergab. Die Landschaft bei der Abfahrt war wunderschön! Ich fuhr auf einer teilweise sehr schmalen Passstraße, sah einen weiteren See tief unter mir (Lago Nero), schneebedeckte Berge und grüne Täler unter mir. Eine tolle Abfahrt. Nur den grausigen unbeleuchteten Tunnel hätte ich nicht gebraucht.

Ponte di Legno streifte ich nur, um die Passstraße zu wechseln. Da meine nächste Etappe zwei Pässe enthielt, wollte ich den ersten der beiden Pässe noch ein Stück rauffahren. 200 Höhenmeter des Passo del Tonale gönnte ich mir daher noch auf der SS 42. An der Passstraße fand ich ein Restaurant, das Zimmer vermietete.

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Tag 12 (Passo del Tonale-Fortsetzung – Passo delle Palade (Gampenpass) – Meran):
Es geht nichts über eine gute Kommunikation mit den Vermietern einer Unterkunft. Frühstück um ¾ 7, Wünsche konnte ich auch äußern. Und als Draufgabe bekam ich noch den Wetterbericht serviert: Heute wird es regnen.

Neeeeinnnn – das wollte ich eigentlich nicht hören. Es hatte in der Nacht schon gewittert und geregnet. Und in der Früh dachte ich, damit ist es erledigt. Dem war aber leider nicht so.

Bei leichtem Tröpfeln fuhr ich los. Mit Regenhose, Regenjacke, Regenschutz über dem Helm. Der Regen wurde bald stärker und penetranter. Dazu kamen Blitze und Donner. Ich begann mitzuzählen – 13 Sekunden. Das Gewitter ist noch weit weg. Passt schon so. Ich erreichte die Passhöhe im strömenden Regen. – 15 Sekunden. Das ist gut! Das Gewitter rollte weiter.
Von nun an ging's weiterhin im strömenden Regen bergab. 10 Sekunden. Was soll das? Kommt das Gewitter zurück? 7 Sekunden. 4 Sekunden. 2 Sekunden. Wie war das noch einmal mit dem Gewitter? Baum ist schlecht, weil mich der erschlägt, wenn er vom Blitz getroffen wird. Fahrrad ist auch schlecht, weil es aus Metall ist. Haus? Wo ist ein Haus? Aaaah ich sah ein Haus mit einem vorstehenden Dach! Rad drunter – weg vom Rad – ich drunter. 1 Sekunde. Es krachte, es blitzte. Ich war mittendrin im Gewitter.

Ich wartete und wartete. Gewitter ziehen eh rasch wieder ab. Die Abstände wurden wieder länger. Der Donner wurde leiser. Die Blitze hörten auf. So weit so gut.

Warum hörte der Regen nicht auf? Ich konnte hier nicht ewig warten. Ich setzte mich wieder aufs Rad und fuhr im strömenden Regen weiter bzw. runter. In einer Ortschaft sah ich ein Haus mit einer offenen Garage. Nix wie rein. G'wand-Wechsel. Ich fror wie ein Schneider. Meine Hände waren auch schon ganz klamm. Ich holte mir eine dickere Wetterjacke aus meiner Packtasche, meine Goretex-Winterhandschuhe und fuhr weiter.

In einer Ortschaft in den Niederungen gönnte ich mir einen Kaffee. Als ich das Lokal wieder verließ, hatte der Regen aufgehört. Na so was! Eine Stunde später zeigte der Himmel blaue Flecken. Und die Sonne kam sogar heraus. Um die Mittagszeit hatte ich strahlenden Sonnenschein.

In Fondo (bis dahin hatte ich bereits wieder 470 Höhenmeter bergauf gemacht) gönnte ich mir ein Eis und fuhr den nächsten Pass rauf. Den Gampenpass oder Passo Palade. Diesmal war es ein wirklich moderater Anstieg. Nix schweres, gemütlich auf einer fast nicht befahrenen Straße. In der Nähe der Passhöhe gibt es einen Bunker (auch Mussolini hatte einen Bunker – den Gampenbunker). Heute wird er als Museum genutzt.

Von nun an ging's bergab. Nach Meran.

PAUSE!

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Tag 13 (PAUSE in Meran):
Zwischen mehreren Regengüssen spazierte ich durch die Innenstadt.

Hier merkte ich ganz deutlich den Temperaturunterschied zwischen den Pässen der letzten Tage und der viel niedriger liegenden Stadt Meran. Während ich auf allen Pässen oben jeweils gefroren hatte und mir für die ersten Höhenmeter bergab eine Jacke anziehen musste, hatte ich in Meran trotz Regen tropische Bedingungen und Temperaturen um die 30 Grad oder mehr.

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Fortsetzung folgt.