Re: Montenegro im Oktober 2010

von: amarillo

Re: Montenegro im Oktober 2010 - 10.11.10 14:24

3. Tag: Dienstag,12.10.

Cetinje – Murici: 72 km

Um 7 Uhr morgens regnet es nicht mehr. Beim Blick aus dem Fenster hängen die Wolken aber noch sehr tief. Nach einem opulenten Frühstück sind wir um 9:30 Uhr startklar. Beim Herausfinden aus der Stadt habe ich ein wenig Probleme. Hier wäre ein GPS hilfreich gewesen. So muss ich kommunikativ sein und eine Frau nach dem Weg fragen. Auch ohne Serbischkenntnisse funktioniert es.
Wir fahren einen Kilometer auf der Hauptstraße nach Podgorica, bevor wir rechts auf eine einspurige Straße abbiegen, deren Belag zwischen Schotter und Asphalt wechselt. Gleich haben wir an einem Restaurant eine fantastische Aussicht über unzählige Berge bis hinunter zum Skadarsee. An einer Kreuzung lassen wir uns dazu verleiten, rechts hinunter abzubiegen. In der kleinen Polje unten im Dorf treffen wir einen Mann, der uns jedoch wieder nach oben schickt. Die Straße soll entgegen unserer Karte als Sackgasse enden. Also fahren und schieben wir die steilen Serpentinen wieder nach oben, nehmen die rechte Straße und treffen nach einigen Kilometern auf eine Straße, die uns rechts abwärts in Serpentinen nach Rijeka Cernovica führt. Hier gibt es eine alte Bogenbrücke, die malerisch über den Fluss gespannt ist. Auf der zweiten Brücke treffen wir 4 österreichische Radfahrer, die in Belgrad gestartet sind.
Wir nehmen die Straße links nach Virpazar und haben bald einen wunderbaren Blick auf die Mäander des Flusses. Bäume stehen im Fluss und ebenso sehen wir viele Wasserpflanzen. An einer aussichtsreichen Stelle picknicken wir. Ein Auto hält. Es ist der Eigentümer, des nebenan liegenden Weinbergs, der sich mit uns unterhält und uns herzlich willkommen heißt. Die Leute hier sind echt nett.
Nun geht es in ständigem Auf und Ab nach Virpazar, wo wir zum Kaffee einkehren. Hier gibt es 2 Hotels und quasi in jedem Haus Zimmer zu mieten. Wir entscheiden uns jedoch für das Abenteuer und fahren an der Südroute des Sees weiter. In Murici soll es ein Restaurant und am See Bungalows zu mieten geben. Die Straße steigt und fällt dann wieder auf Seeniveau ab, bevor es endgültig in Haarnadelkurven nach oben geht. Fantastische Blicke auf den links unter uns liegenden Skadarsee mit seinen Gefängnis- und Klosterinseln haben wir. Die Gegend hier wirkt recht ärmlich, obwohl Wein angebaut wird. Es geht kräftig bergan. Die 4 Engländer vom Tag zuvor kommen uns nur mit Tagesgepäck entgegen. Endlich geht es bergab. Nach einigen Kilometern kommt der Abzweig nach Murici hinunter an den See. Es gibt kein Schild, das auf eine Übernachtungsmöglichkeit hinweist. Ein Auto hält auf mein Zeichen und ich frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit (sobe). Man bestätigt mir, dass man ganz unten am See übernachten kann.
Die Landschaft hat sich völlig gewandelt. Die vielen Ziegen und Schafe haben zu Überweidung geführt und es zeigt sich so die typische graue, fast vegetationslose Karstlandschaft.
In steilen Serpentinen geht es hinunter zum See. Dort gibt es hunderte, überdachte Restaurantplätze im Freien und mehrere Holzhütten, in denen einfache Zimmer vermietet werden. Toiletten und Bad sind in einem separaten Gebäude zu finden. Im Sommer muss hier viel los sein. Außer uns sind noch 2 Amerikanerinnen hier. Gegen 20 Uhr ist endlich das Abendessen fertig. Es wir unter freiem Himmel gedeckt. Gut so, denn der Abend ist recht mild. Es gibt Karpfen aus dem See in rauen Mengen. Dazu Kartoffeln und Tomatensalat und eine Flasche Wein. Der Fisch schmeckt lecker.
Zum Glück stellen die zahlreichen Hunde ihr Gebell ein und wir können gut schlafen.


4. Tag: Mittwoch, 13.10.

Murici – Ulcinj: 63 km

Um 8 Uhr frühstücken wir ausgiebig vor unserer Hütte. Danach bin ich noch auf der Suche nach Fotomotiven. Start ist bei bedecktem Himmel dann um 9:30 Uhr.
Zuerst geht es wieder über die kurvenreiche Straße durch das Dorf und weiter nach oben zur Hauptstraße. Auch die Hauptstraße steigt ständig an und wir haben schöne Blicke auf den im Morgendunst unter uns liegenden riesigen See mit seinen Klosterinseln. Wir kommen in ein armseliges Dorf, dahinter befinden sich Kastanienwälder, wo die Frauen die Früchte der uralten Bäume sammeln. In den Bäckereien findet man in Montenegro auch oftmals Brot aus Kastanienmehl. Die Vegetation hat sich mal wieder auf wenigen Kilometern vollständig gewandelt. Nur von den kleinen armseligen Dörfern werden die Kastanienwälder unterbrochen. Bald geht es wieder abwärts bis nach Ostros, wo heute Wochenmarkt ist. Wir sind mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Kneipen und Restaurants sind gut besucht. Der Markt hat hier offensichtlich auch noch eine soziale Funktion. Wir trinken einen türkischen Kaffee und Wasser dazu, für 50 Cent, kaufen noch ein und schlendern über den kleinen Markt, wo es von kleinen Campinggaskochern, die hier in Montenegro zur Zubereitung des Kaffees genutzt werden, Werkzeug, Fahrradmänteln über Bekleidung bis hin zu Tabak und Gemüse alles zu kaufen gibt. Ab Ostros steigt die Straße bis auf über 900 m an. Am Pass weht ein kühler Wind und an dieser Spitzkehre haben wir einen weiten Blick nach Albanien hinein. Schwarze Wolken und zuckende Blitze unten am Meer lassen uns hier nicht lange verweilen. Wir begeben uns auf die Abfahrt. Nach einigen Kilometern überholt uns ein auffallend langsam fahrendes Auto. Gerade an dieser Stelle liegt ein Restaurant mit Panoramablick. Wir entscheiden uns dazu, einzukehren, was sich in zweierlei Hinsicht als weitsichtig herausstellt. Erstens kommt das Auto nach wenigen Minuten wieder zurück, was unserer Meinung nach kein gutes Zeichen in dieser gottverlassenen Gegend ist und zweitens beginnt es dann heftig zu regnen, so dass wir den Tisch auf der Terrasse mit einem Tisch im Restaurant tauschen und erst mal eine Fischsuppe bestellen, auch übernachten könnte man hier. Wir müssen noch den Raki des Hauses probieren, bevor wir die Weiterfahrt nach Ulcinj in Angriff nehmen. In Serpentinen geht es abwärts, bis wir auf die Europastraße treffen, auf der es links nach Shkoder in Albanien geht. Selbst hier auf dieser Straße hält sich der Verkehr in Grenzen. Es geht wieder ein wenig bergauf, bevor wir durch eine Schlucht endgültig dem Meer entgegen fahren. Sechs Reiseradler kommen uns entgegen.
Hier dominiert nun der Anbau von Zitrusfrüchten und die Erntezeit hat begonnen.
Von Ulcinj sind wir enttäuscht: Kilometerlanger Kommerz für die Sommertouristen. Die Altsstadt ist verwaist und mit den Rädern wegen der vielen Treppen kaum zugänglich. Überall dominieren die schlanken Minarette der zahlreichen Moscheen die Stadt. Auf der Suche nach einer Unterkunft landen wir im Hotel Pino, das,wie sich später herausstellte, aber ein Erholungsheim für Pensionisten aus Podgorica ist. Wir bekommen das anscheinen letzte freie Zimmer, aber wenigstens stehen unsere Räder sicher unter dem Treppenaufgang.
Bei so vielen hustenden, älteren Leuten suchen wir uns für das Abendessen eine Pizzeria in der Hauptstraße, die sich als Glücksgriff erweist.

Bilder des 3. und 4. Tages