ein Türchen weiter, das vierte

von: veloträumer

ein Türchen weiter, das vierte - 03.12.13 23:13

Einführung – Fortsetzung (4)

Schlafmodus

Während die Küstenregion Kroatiens als Campingeldorado, aber auch Slowenien durchaus als Campingland gelten kann, so ändert sich das im kroatischen Binnenland, wo Campings vergleichsweise selten sind. In Bosnien-Herzegowina und Montenegro ist Camping (bisher) nicht wirklich populär. Der professionelle Standard der Campings in Kroatien wird in BiH und MNE meistens nicht erreicht, aber auch deren Preise nicht. Auffallend ist, dass ich selbst an den montenegrinischen Küstenteilen mit ausgeprägtem Luxustourismus nur Campingniveaus der unteren Kategorie angetroffen habe. In Crvena Glavica bei Sveti Stefan (dort kann immerhin Suiten für ca. 2000 € pro Nacht mieten) gibt es nur eine kalte Openair-Dusche, der pingelige deutsche Sagrotan-Hausfrauentyp dürfte an keinem der Plätze glücklich werden.


Traumhafte Lage und rustikale Ausstattung ist typisch für Montenegro-Campings: Crvena Glavica unweit der Luxusinsel Sveti Stefan

Die Plätze im Binnenland sind hingegen meist eine Stufe besser. Es kann im eher technisch unterbemittelten Montenegro aber schon vorkommen, dass die Warmwasserbereiter nicht ihrer zugedachten Funktion folgen. Typisch für das Binnenland sind Rafting-Camps in der Nähe der großen Schluchten. An der Tara bzw. Drina sind sie sogar nummeriert. Hier gibt es auch eine gewisse Nachfrage nach Abenteuertourismus – also Zeltkunden. Viele übernachten jedoch in den preislich ebenso erschwinglichen Holzhütten, die zuweilen auch nur zwei Personen fassen. Es ist daher nicht nötig, in Montenegro mit Zelt zu reisen, wenn man Gewicht sparen möchte. Diese für die Berge typische Hüttenbauweise prägen die Almregionen und Bergdörfer. Auf dem urbanen Camping von Ilidza gibt es dann sogar Steinbungalows als Ferienhäuser. Dort übernachtete z. B. eine ganze Busreisegruppe. Als Zelter ist man hingegen meistens allein.

Die Camps für Rafting und Bergsport haben immer ausreichend Grillmöglichkeiten zur Selbstversorgung, nicht immer gibt es ein Restaurant, wohl aber Getränke. Im Zweifel wird schon mal ein Essen abweichend arrangiert. Da viele der Camps abgelegen von Orten liegen, sollte man sich vorher über die Versorgungslage informieren. Hat man sein Domizil wie etwa dem Bergtouristen- und Skiort Zabljak, kann man zwischen mehreren Camps wählen, und hat gleich eine umfassende Infrastruktur in Reichweite. Der Sieger aller Montenegro-Camps in Sachen Ausstattung ist denn auch Miso’s Camp Razvrsje bei Zabljak. Miso, der auch Deutsch spricht, organisiert zudem Bergsafaris oder Rafting-Touren und man kann MTBs ausleihen.


Typisches Rafter-Camp unweit der Grenze BiH/MNE: Hütten mieten ist beliebter als Zelten

Eine speziell montenegrinische Eigenheit ist die Bezeichnung „Etno selo“ bzw. „Eko selo“. Gemeint sind eben größere Camps „Feriendörfer“, die aus einer Ansammlung landestypischer Hütten besteht, meist mit Zeltplatz gekoppelt (nicht immer!) und mit einem größeren Gemeinschafts- bzw. Gasthaus, wo regionale – meist gute – Küche geboten wird. „Eko“ spielt auf eine besondere ökologische Ausrichtung an. Da es sich um einen schnell wachsenden Markt handelt, sind längst nicht alle Camps in Reiseführern oder Karten berücksichtigt.

Allgemein ist die Unterkunftslage (auch Essen) in Montenegro ziemlich gut, was angesichts der dünnen Besiedlung im bergigen Binnenland schon bemerkenswert ist. Zwar ist es ratsam eine Übersicht der Versorgungs- und Unterkunftsmöglichkeiten zu haben, man wird dann auch bei entsprechender Routenwahl in Abständen von 30-50 km selbst in recht entlegenen Gegenden etwas finden können. Es ist aber schwer abzuschätzen, ob all diese kleinen Camps mit insgesamt recht wenigen Gästen auf Dauer Bestand haben werden. Nicht zuletzt wird es darauf ankommen, dass der Binnentourismus weiter wächst ungeachtet der besseren Verdienstmöglichkeiten an der Küste.


Bett-&-Bike-Betriebe gibt es auch in Montenegro: Hotel Pelikan in Virpazar

Echte Hotels sind zwar nicht ganz so dicht im Binnenland zu finden, bei entsprechender Planung greift aber auch hier ein dezentrales Netz. Die Preise ist meist erträglich. Bett-&-Bike-Hotels gibt es ebenfalls in Montenegro, wenngleich das Etikett wohl keine verbrieften Standards hat. In Virpazar habe ich einmal im Hotel „Pelikan“ übernachtet – so recht Radspezifisches gab es da nicht. Ein weiteres B&B-Hotel („Komovi“) steht in Andrijevica, in dem ich zwar übernachten wollte, aber durch ein paar Routenänderungen nicht mehr in die Etappenabfolge passte. Macht einen recht hochwertigen Eindruck von außen (vgl. auch Website), Einzelübernachtung kostet ca. 30 €, Räder können ausgeliehen werden.

Der Versuch, Montenegro als Luxusreiseziel zu etablieren, treibt ein paar seltsame Blüten. Über die Luxussuiten auf Sveti Stefan findet man Gerüchte, dass deren Qualität kaum das 3-Sterne-Niveau eines Alpenhotels erreicht. In Kolasin versucht man luxuriösen Wintertourismus zu etablieren. Laut Reiseführer ist ein Luxuskasten schon bankrott gegangen. Geblieben ist ein architektonisch auffälliges Spa- und Wellnesshotel, das laut meines privaten Gastgebers in Kolasin im letzten Winter erstmals (von einer französischen Gruppe) ausgebucht war. Soweit ich die Liftanlagen in der Nähe von Kolasin beurteilen kann, dürfte es aber eine ziemliche Träumerei sein, mit den exklusiven Wintersportdestinationen in den Alpen, Pyrenäen oder in Polen konkurrieren zu können. Auch das Skigebiet bei Sarajevo wirkt da überlegen.

Eine Traumblase könnte auch das 5-Sterne-Hotel mitten im Nationalpark Lovcen werden. Der noch nicht ganz fertige Bau lässt es schon äußerlich an Eleganz fehlen. Wer diese einsame, nackte Felsenwelt mit viel Geld beglücken soll, mag ein Marketinggeheimnis bleiben. Indes gefährdet ein Luxuspublikum die schutzbedürftige Natur, zumal es sich um eine verkarstete Bergregion mit Wassermangel handelt. Man möge sich die Auswirkungen vorstellen, wenn noch ein Golfplatz dazu kommen würde. Diese kritische Ansicht hat mir auch die Nationalparkverwalterin untermauert. Sie sei gar nicht glücklich darüber und hält den Bau für eine bedrohliche Spinnerei. Nicht verifiziert sei angemerkt, dass hier auch Korruption im Spiel gewesen sei, wie mir die Dame nur andeuten wollte.


Zukunftsinvestition oder Traumblase? 5 Sterne sollen zahlungskräftige Besucher in den Nationalpark Lovcen locken

An der Küste finden sich durchaus auch noch preiswerte Festunterkünfte. So kann man mitten in Kotor in einem Hostel extrem preiswert übernachten (12 €). Ungeplant kann es dort aber auch mal teuer werden. Viele Dauerferiengäste wohnen häufig in Ferienwohnungen, wie sie bspw. gegenüber der Insel Sveti Stefan in nicht immer pittoresken Blockbauten zu finden sind. Kleine, hübsche Privatunterkünfte gibt es aber besonders in der Kotorbucht – dazu gehören auch ein paar sehr kleine, aber hübsche „Garten“-Campings.

In der Herzegowina sind Campings selten, aber es gibt auch hier ein ausreichendes Netz an Unterkünften im Binnenland – zumindest auf meiner Route. Da es in den größeren Orten manchmal nur wenige Hotels gibt (oder auch nur eines), kann es ggf. unerwartet teuer werden (z. B. Capljina), aus deutscher Sicht bleibt es aber auch für Nicht-Privilegierte meist im überschaubaren Rahmen. In meiner Mix-Kalkulation habe ich z. B. zweimal wild gecampt, konnte aber auch eine sehr gute Erfahrung in einem Motel bei Grude machen (von einer Dortmunderin mit ihrem slawischen Mann geführt) – ein herrliches Zimmer für 25 € inkl. Frühstück.

Weniger gut ist die Unterkunfts- und Versorgungslage im Binnenland von Kroatien. Hier ist der Unterschied zwischen Küste und Hinterland immer noch sehr gravierend und wird es auch bleiben. Die Abwanderung der Bevölkerung aus dem ländlichen Raum in die Städte (und die Küste) schwächt die Rentabilität aller Art Geschäfte im Hinterland. Binnentourismus ist auf spezielle Regionen fixiert wie z. B. Plitvice. So hat sich etwa nach 10 Jahren in der Region Knin/Ervenik – wie schon zuvor angesprochen – wenig getan. Meine Besuche der Binnenorte Vrlika und Obrovac zeigen, wie schwierig die Lage noch sein kann. Es gibt aber Möglichkeiten, doch ist es schwer eine Übersicht zu erhalten und die Distanzen zwischen brauchbaren Orten betragen schon häufiger deutlich über 50 km – falsch kombiniert kommt man auch mal auf über 100 km Unterkunftswüste.


Rustikales Badezimmer mit aufmerksamen Details an der Alan-Hütte im Velebit

Für die Durchquerung des Nationalparks Nördlicher Velebit empfiehlt sich exakte Planung, dann ist auch Unterkunft kein Problem – Essen ist allerdings schwieriger als Schlafen. Die Hüttenqualität ist urig bis rustikal. Man beachte dazu meine Bilddokumentation des Klobesuchs im Velebit-Kapitel! Stöckelschuhfrauen mit Krokotasche sind hier sicherlich nicht zu erwarten. grins In Gospic schien mir das Preisniveau der Hotels übertrieben, da will eine Stadt ein wenig mit Gewalt aus ihrer schwer lastenden Kriegsbürde auf die internationale Agenda und von „reichen“ Durchreisenden nach Plitvice profitieren – die Rechnung geht nicht ganz auf, wie ich an der „internationalen“ tschechischen Ein-Kind-Familie sehen konnte, der das von mir besuchte Hotel zu teuer war – die Alternative dort dürfte nicht preiswerter gewesen sein. Auch hier finden sich bei entsprechender Suche ländliche Alternativen – es fehlt aber oft an Informationen, wo sich diese Gasthöfe befinden.

Überraschende Vielfalt gab es bei Fuzine – nicht nur in dem Gourmetort mit dem Stausee, sondern auch südlich davon in scheinbar einsamen Wäldern mit Feen und Kobolden. Mitten im Wald finden sich nicht nur immer wieder Wald- und Wochenendhäuschen, sondern auch mehrere nette Speiselokale, teils mit Übernachtungsmöglichkeiten. Im dicht besiedelten Gebiet im ansteigenden Hinterland von Rijeka ist es dann ziemlich unübersichtlich speziell für die Nachtruhe einen Platz zu finden. Übersichtlicher wird es in Slowenien, wo allein schon die Transitstrecke von Postjona über Ilirska Bistrica nach Kroatien eine Reihe von Unterkünften bereit hält. Für die abseitigen Wege zum Sneznik bzw. Richtung Skocjanske jame gilt es, Informationen zu besorgen, aber es gibt auch hier ein Netz von netten Übernachtungsmöglichkeiten. Die Karst-Weinstraße verfügt über zahlreiche Möglichkeit, allerdings ohne Campings. Nicht zu empfehlen sind Lipica und Sezana – es sei denn, man hat höherwertiges Kleingeld.


Netter Gastgeber, saubere Zimmer, ausgiebiges Frühstück: Privatvermieter Rakocevic in Kolasin

Zu den angesprochen Möglichkeiten von Festunterkünften zählen natürlich nicht nur echte Hotels sondern auch Privatvermieter. Zuweilen ist der Übergang fließend. Wo kein Tourismus erwartet wird, gibt es auch wenige oder keine Privatvermieter (z. B. Niksic, Knin, Gospic). Oft wird man auf der Straße angesprochen, wenn man mit Rad im Ort suchenden Blickes anhält – in Virpazar sogar vom Hotelier. An der Küste bei Ulcinj saßen die Anwerber bereits am frühen Morgen übermüdet an der Straße oder fragten aus dem Auto raus, ob man denn eine Unterkunft suche. Welcher Reiseradler sucht wohl am frühen Morgen eine Unterkunft, wenn er gerade aufgesattelt hat? verwirrt Die Qualität aller meiner Privatvermieter in Montenegro, Kroatien und Slowenien ist tadellos gewesen. Mit 20 € in Montenegro und 25 € in Slowenien jeweils +/- 5 € hat man eine gute Orientierungsgröße (Einzelübernachtung, Frühstück ist nicht immer garantiert). Nicht zuletzt weil ich über die Unterkunft und das Frühstück erfreut war, übernachtete ich wiederholt bei Rakocevic in Kolasin, obwohl ich ursprünglich Kolasin überhaupt nicht besuchen wollte. Hervorheben möchte ich auch Apartma Jera im slowenischen Stanjel, ein Lichtblick in dem sonst leider ausgestorbenen, aber sehenswerten Burgstädtchen mit tragischer Kriegsgeschichte, die nach über 60 Jahren noch nachwirkt. Liebenswerte Fürsorge und ein märchenhafter Turmblick fanden meine Erwähnung im Gästebuch.

Geschmackssache

Eine Gourmetreise im Balkan zu erwarten, scheint vordergründig übertrieben – doch Obacht! Kroatien wie auch Slowenien haben sich längst einige respektable Feinschmeckerregionen sogar im Binnenland erarbeitet, von der immerzu frischen wie köstlichen Meeresnahrung an den Küsten ganz zu schweigen. Montenegro ist an der Küste gezwungen, ein hohes Speiseniveau anzubieten, da sich die Reichen und Schönen aus dem slawischen Raum – vornehmlich Russen und Serben – dort nach Luxus sehnen. Bekanntlich ist aber der Reichtum in den Ostblockstaaten so schnell und asymmetrisch gewachsen, dass selten damit eine entsprechende Kultivierung einherging. So sind zwar teure Fischspeisen nach dem Geschmack des Geldadels, eine raffinierte und anspruchsvolle Volksküche wie in Frankreich oder Italien ist jedoch jenseits der Meeresspeisen eher selten.


Fisch und Meeresfrüchte erfreuen den Gaumen beim Sonnenuntergang: Tintenfischrisotto belegt italienische Einflüsse in Montenegro

Eine beliebtes Feinschmeckergericht in Montenegro ist das Tintenfischrisotto, was auch an den Adriahandel Dalmatiens zur alten Seemacht Venetien und damit der italienischen Kultur anspielt (ein Teil Montenegros gehört auch zu Dalmatien, wird heute aber als Regionalbegriff nur noch in Kroatien verwendet). Fischsuppe gibt es als preiswerte sämige, nahrhafte Tunke mit wenigen Meerestierstücken (Scampi, Garnelen). In besseren Fischrestaurants erhält man auch eine teure Variante – meist nur ab zwei Personen erhältlich – die kommt einer französischen Bouillabaisse nahe. In besseren Fischrestaurants wird der Fisch frisch zur Auswahl an den Tisch gebracht und nach Gewicht berechnet. Solche Fischgerichte sind grundsätzlich teurer als wenn man eine Fisch- und Zubereitungsart direkt ab Karte bestellt, wobei nicht immer die Fischart angegeben wird. Köstliche Varianten des Fischs bekommt man auch als Farce oder in überbackenen Formen. Eine besonders auffällig Ansammlung von teils exquisiten Fischrestaurants gibt es an der südlichen Grenzecke bei der Flussdeltainsel Ada Boiana, wo sich in den letzten Jahren besonders viele Russen mit kleinen oder größeren Wochenendhäuschen oder Villen eingekauft haben (was die ganze flache Strecke zwischen Ulcinj und Ada Boiana betrifft, wo allerdings auch viele Apartmenthäuser mit Ferienwohnungen stehen).


Beste Küche im Nationalpark-Restaurant am Biogradska jezero: Bergtypischer Fleischtopf mit Kartoffeln in Holzschale serviert, gegrilltes Gemüse und landestypischer Vorspeisenteller mit Weißkäse, Rauchfleisch und Schinken

Fisch ist natürlich auch überall im Binnenland ein Thema, wo es entsprechende Gewässer gibt. Besonders in schmackhaft Erinnerung blieben mir hier die frittierte Fischteile im laubenüberdachten Restaurant Crmnica in Virpazar, die Forelle bei Miso/Razvrsje bei Zabljak und der zappelnde Großkaliber bei Bubec in Brce/Ilirska Bistrica, der sein Leben unter meinen Augen für meine Radlerbeine lassen musste. Süßwasserfisch gibt es auch in Fuzine, aber nicht nur. Bekannt ist diese Region vor allem für Wildspezialitäten und Pilze, wobei diese Angebote auch in der Kvarner Bucht bis hinüber in die slowenischen Waldgebiete um den Sneznik zu bekommen sind. Obwohl ich durch Etappenänderungen weder in Fuzine noch in Masun ein Abendmenü einnehmen konnte, kam ich doch noch in Viskovo unerwartet zu einem guten Hirschbraten mit Preiselbeersauce. Das Restaurant Ronjgi steht regelmäßig auf einer Liste der besten 100 Restaurants Kroatiens.

In Montenegro im Nationalpark-Restaurant am Biogradsko jezero erhielt ich eines der besten Essen in Montenegro, obwohl einer meiner Reiseführer dieses abwertend vermerkt. Neben dem besten gegrillten Gemüse auf der Reise überzeugte der bergtypische Fleischtopf ebenso wie der Vorspeisenteller. Das Ambiente auf der waldidyllischen, seenahen Terrasse ist für Ruhe suchende Philosophen, Schriftsteller und Romantiker wie geschaffen – zumindest abends. Kolasin erwies sich auch als ein Ort guter Küche, denn in beiden besuchten Restaurants erhielt ich vorzügliche Gerichte, wobei die alte Mühle Vodenica einen Vorsprung in Eleganz, Raffinesse und Ambiente hält.


Köstliche Küche aus Eigenproduktion: Agro-Restaurant Vrata Biokova mit großer Aussicht und viel Ambiente

Ökologische nachhaltige Küche gab es zweimal zu Mittag (mittags esse ich meist nur auf Selbstversorgerbasis). Als Radnomade erhielt ich im passend genannten „Vagabund“ (sic!, auch Übernachtung möglich), einem hübschen Waldgasthof südlich von Fuzine, von der sympathischen Gastgeberin eine leckere Grillplatte mit vortrefflichen Brennnesselpuffern. Ebenfalls in Kroatien, allerdings südlicher im Biokovo, stieß ich bei meiner Auffahrt zum Sveti Jure auf einen bemerkenswerten Landgasthof (keine Übernachtungsmöglichkeit). Marijan Prgomet und seine Frau stellen nahezu alle Produkte selbst her. Rohschinken, verschiedene Fleischsorten von Rind, Schwein und Schaf u. a. können auch zum Mitnehmen erworben werden. Die zu jedem Schönheits-Casting konkurrenzfähigen Kühe, auf die man unweigerlich auf der Straße stoßen wird, gehören ebenso zum Hof wie, wie die Schafe, Esel, Pferde und Bienenstöcke umher. Gesammelt wird auch kräftig, was die Natur hergibt. Als Gratiszugabe durfte ich vom international bekannten Kräuterschnaps probieren, der aus nicht weniger als 48 (!) Kräutern besteht. Aber auch der nicht auf der Speisekarte gelistete Salbeisaft ist ein erfrischendes wie köstliches Getränk (nachfragen), von dem ich gleich zwei große Gläser in meine trockene Kehle kippte. Die Spezialität des Tages waren frische frittierte Froschenkel mit leckeren Beigaben wie Bratkartoffeln, Polenta und Rauchschinken. Ich sagte ihm „Der typische Deutsche isst aus moralischen Gründen keine Froschschenkel. Deswegen bestelle ich jetzt die Froschschenkel.“ schmunzel Prgomet hat auch das Restaurant im traditionellen Landhausstil gebaut – aufwändig das Dach mit verfugten Steinplatten. Der Mann spricht hervorragendes Englisch, kann auch ein paar Wörter Deutsch und macht auch sonst einen gebildeten Eindruck. Die innere Gaststube enthält manch kurioses wie lustiges Sammlerstück. Das Essen ist nicht ganz billig, aber seinen Preis wert. Vrata Biokova erfüllt den Gedanken des Via Dinarica in vorbildlicher Weise.


Beliebter Süßstoff im ganzen Westbalkan: In Honig eingelegte Trockenfrüchte und Nüsse

Es wäre hier aber falsch, wenn ich nicht erwähnen würde, dass ich auch eher langweilige Durchschnittskost erhalten habe. Ziemlich einfallslos ist der überall angeboten „serbische Salat“, der meist nur aus dem recht geschmacklosen Weißpaprika besteht und mehr oder weniger (unreifen) Tomaten. Öl und Essig stehen auf dem Tisch, echte Salatdressings sind weitgehend unbekannt – auch in Kroatien. Fleischsaucen sind ein Problem, weil es mehrheitlich Grillküche gibt. Soweit überhaupt Saucen, sind sie meist schlechter als der Rest des Essens. Die Garpunkte werden meist gut eingehalten, zuweilen wird zu lange gegrillt oder gebraten. An zu rohem Fleisch sich zu verderben, wie manchmal in Frankreich, ist zutiefst unwahrscheinlich.

Manchmal werden elementare Dinge zu wenig beachtet. Ein nach Karte und Beliebtheit wohl angesehenes Restaurant in Supetar (Insel Brac) wurde den offensichtlich selbst gesteckten hohen Ansprüchen nicht gerecht, da beide Gerichte übermäßig versalzen waren. Vielleicht war auch die Hektik einer vorbeiziehenden Techno-Parade dran Schuld. Besonders nervig finde ich es – wie in Montenegro häufig –, wenn man mir das Hauptgericht kurz nach der Vorspeise oder gar gleichzeitig reicht. Wie soll man das Essen, ohne das das Hauptgericht kalt wird? Es handelt sich m. E. um postsozialistische Servicemängel, die ich sogar in den besseren Speiselokalen erlebt habe.


Vor allem Beerenfrüchte sind reichlich im Bergland zu finden: Typisches Minimarkt-Angebot in Bosnien

Als Flop haben sich meine beiden Versuche herausgestellt, eine Halbpension zu vereinbaren, um einen besseren Preis für Übernachtung und Essen zu erzielen (Hotel „Pelikan“ in Virpazar, MNE, Motel „Kiwi“ in Grude, BiH). Ich erhielt eher ein minderwertiges oder spärliches Gericht/Menü, für das gleiche Geld oder ein bisschen mehr hätte ich in beiden Fällen bei separater Bezahlung Besseres und mehr bekommen. In dieser Hinsicht erwiesen sich die Empfehlungen der Reiseführer als fehlleitend, wie auch in Montenegro ich selten auf die beschriebenen „Riesenportionen“ gestoßen bin. Eher waren insbesondere die Kohlehydratbeilagen knapp bemessen (Pommes frites etc.). Positiv hingegen wiegen wiederum die meist essensbegleitend gereichten Brote, die manchmal besser waren als dass, was in den Läden zu finden war.

Die größten Flops waren allerdings fehlende Essensmöglichkeiten, wie völlig unerwartet in Obrovac, das eigentlich das touristische Einfallstor für die Zrmanja-Schlucht darstellt wie auch durch die Meeresnähe schon fast ein nobler Erholungsort sein könnte – stattdessen touristische Wüste. Enttäuschend war diesbezüglich auch das slowenische Stanjel, das inmitten der slowenischen Karstweinstraße als pittoreskes Burgstädtchen die historisch wie ästhetisch die herausstechendste Aura hat, aber bis auf eine überteuerte Vinothek mit lediglich magerem kalten Aufschnitt die Ausnahme unter den anderen Weinorten bildet (eigentlich eine Gourmetregion).


Typische Weißbrot-Variante in Bosnien und Montenegro

Da ich bereits Brot erwähnte: Die Qualität hat mich überrascht, zumal es äußerlich meist dickliche Weißbrote gibt, die ästhetisch dem französischen Baguette weit unterlegen sind. Doch ist der Teig offenbar besser zubereitet und/oder ausgebacken als meist in Deutschland. Es gibt sogar schmackhafte sauerteigige Weißbrote – auch als Brötchen, eher selten zu finden (Restaurants) –, die lange haltbar sind, auch wenn sie länger in der Tasche mitgeführt werden. Die Auswahl für Graubrot- oder gar Vollkornbrotfreunde hingegen ist in Montenegro und Bosnien mager, im kroatisch beherrschten Herzegowina und Kroatien wird die „Brotlage“ recht komfortabel. Auch in Slowenien erhält man schon seit einigen Jahren Brot auf hohem Standard, während ich noch vor 10 Jahren oft die Labbrigkeit der Backwaren kritisieren musste. In Slowenien gibt es in den entlegenen ländlichen Gebieten Bäckerautos, die auch sonntags umherfahren. Sie führen sogar süße Leckereien mit. In Montenegro ist die Lage für Eigenversorger etwas schwierig, da es nur wenige Bäckereien gibt. Rollende Versorger habe ich trotz der ja dünn besiedelten Bergregionen nicht beobachtet. Zwar haben die Supermärkte bzw. Minimärkte auch meist Brot, aber es fehlt dann natürlich ein wenig die Qualität und Auswahl – insbesondere sind süße Stücke und Kuchen rar. Hingegen kann man meist salzige Böreks kaufen, sodass man nicht unbedingt Sandwichbrote zu basteln braucht.


Spezialität aus Montenegro: Schmackhafter, salzhaltiger halbfester Schichtkäse

Als Käsefreund war ich natürlich auf die Ergebnisse der Bergbauern gespannt. In Montenegro gibt es salzigen Weißkäse, der ein Schichtstruktur ähnlich einem Mozzarella hat, aber fester und gereifter in großen Laiben produziert wird. Zentren mit einer jeweils eigenen Machart sind Kolasin und Njegusi (Lovcen). Njegusi ist noch mehr für seinen Rohschinken und das Rauchfleisch bekannt. Meist nur auf größeren Märkten findet man auch mehr Varianten an länger gereiften Käsen. In BiH habe ich kaum eine Übersicht gewonnen, hatte aber das Gefühl, das weder Käse noch gute Schinken und Rohwürste zu den Hauptbestandteilen des Sortiments gehören. Einen echten, marktunabhängigen Käseladen entdeckte ich erst in Kroatien in Makarska. Für alle Forumsköchinnen und -köche sei folgend ein montenegrinisches Nationalgericht zum Nachkochen mit Rezept vorgestellt. Kacamak (Polenta) wird gern mit Käse und Joghurt serviert. Wie bei Hausrezepten üblich, macht jeder die Polenta etwas anders.



Den Abschluss des Genusskapitels sei Wasser und Wein gewidmet. Die Wasserversorgung durch Brunnen ist in den meisten Bergregionen gewährleistet. Auch wenn es manchmal keine Brunnen gibt, kann man direkt an Karstquellen gelangen und das Wasser abfüllen (Ali-Pascha-Quellen, Dabarsko Polje), auch Flüsse sind in meinem Routenbereich meist unbedenklich als Trinkwasser nutzbar gewesen. Die schwierigste Region ist der Velebit, da es längere Strecken ohne Quelle zu überbrücken gibt. Hält man aber die verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten im Auge, ist auch dort die Wasserversorgung keine zu große Herausforderung. In der Hütte am Veliki Alan erhält man vom Hüttenwart Wasser aus dem Hahn (er kocht und spült ja auch) – es dürfte sich dabei aber eher um gefiltertes Zisternenwasser handeln als um eine Fließleitung, da zum Waschen nur gesammelten Regenwasser zur Verfügung steht. Wer kein Wasser will, bekommt natürlich auch Bier. bier

Bier ist ebenso wie Wein als Begleitgetränk zum Essen verbreitet. Sicherlich wird in den Bergregionen Montenegros mehr Bier von der Landbevölkerung getrunken, doch ist zumindest in touristischer Umgebung keine eindeutige Präferenz zu erkennen, außer dass in Weinregionen auch tatsächlich mehr Wein getrunken wird. In Montenegro bekommt man meist keinen offenen Wein, sondern erhält kleine Weinfläschchen, die wohl unter einem Viertel Inhalt liegen (ich habe vergessen, das genau zu notieren). Während ein Fläschchen eher knapp bemessen ist, sind mir zwei zu viel gewesen. Der weit verbreitete Vranac kommt aus der vielleicht wichtigsten Weinregion Montenegros, die sich am Skadarsee um Virpazar herum mit einem gewissen Erfolg ausbreitet.


400 Jahre Familientradition im Weinanbau: Vina Strekelj in Gorjanske an der slowenischen Karst-Weinstraße

Weinanbau erscheint in Kroatien und der Herzegowina als Wohlstandssiegel zu gelten. In der kroatischen Herzegowina hat fast jedes Haus mit Garten ein paar Weinreben – nicht nur die Winzer. Nicht immer sind aber die Hintergründe für den Touristen sichtbar. Wie mir der slowenische Weinbauer Jordan Strekelj in Gorjansko bei meiner abschließenden Weinprobe erklärte, sind die auf der kroatischen Insel Brac oft neu angelegten Weinberge nicht im Besitz von echten Kroaten, sondern werden von Amerikanern oder kroatischen Amerikanern angelegt und verwaltet. So ist dann die Frage, in wieweit der sichtbare Wohlstand (noble Villen) nachhaltig zur Wirtschaft des Landes beiträgt.

Ich komme natürlich nicht umhin, hier die Weinmeister Strekelj mit seinen Weinerzeugnissen vorzustellen. Der wichtigste Wein im Karst ist der Teran, eine besonders eisenhaltiger Rotwein, der auf dem mineralreichen, roten Boden (Eisenoxid) in einem fast maritimen Klima zu einem besonders gehaltvollen Rebensaft heranwächst. Er ist insofern besonders wertvoll für Blutkreislauf und Herz. Strekelj meint, „der Teran ist Medizin“. Dabei sind lokale Unterschiede sehr wichtig, nicht nur der Winzer entscheidet über unterschiedlichen Geschmack. So verfügt jeder Ort an der Karstweinstraße über eine etwas andere Mikrogeologie, die die Unterschiede der meist recht kleinen Weingüter ausmachen. Jedem Ort sein eigener Wein. Diese Besonderheit ist so auch nicht im benachbarten Kroatien wiederzufinden, obwohl ja auch dort der Wein auf Karstböden wächst. Wer Interesse hat, vielleicht aus Urlaubserinnerungen einen Karstwein zu verschenken, wird auf unkomplizierten Weg eine Möglichkeiten erhalten, aus der fast 400-jährigen Familientradition einen hochwertigen wie charaktereigenen Wein zu bekommen: Vina Strekelj. Jordan Strekelj spricht gut Englisch und erläutert gerne ausführlich die Besonderheiten des Weines. Darüber hinaus konnte ich mit ihm im Gespräch noch viele andere Dinge des dinarischen Lebens beleuchten. Mehr als zwei Flaschen Rotwein konnte ich trotz bergarmen Finale nicht bunkern, obwohl mir auch Weißwein und Likör mundeten. Soll noch einer behaupten, man komme mit nur zwei Taschen auf Radreisen aus. wirr

Fortsetzung folgt