die 11. Tür engelsgleich

von: veloträumer

die 11. Tür engelsgleich - 10.12.13 23:05

KAPITEL V
Kotor-Bucht und Lovcen-Berge: Pittoreske Küstenorte, beschauliches viva maritima, Spitzkehrenolympiade, Felsenlabyrinth und ein Dichterfürst über den Wolken

Wie kein anderer vermag Renaud Garcia-Fons Kulturen und Atmosphären rund um das Mittelmeer in imaginäre Folklore umzusetzen. Mit katalanischem Hintergrund und in syrischer Musik geschult, versteht der Pariser Kontrabassvirtuose immer wieder den Bogen von der maurischen Tradition des westlichen Mittelmeeres bis über den Bosporus hinaus zum Nahen und Mittleren Osten scheinbar grenzenlos zu spannen. Auch gut geeignet um die Meeresstimmungen der Kotorbucht zu reflektieren und das Nachbarland anzusteuern: Renaud Garcia-Fons „Oriental bass“ (6:39 min.).

Do 4.7. Budva-Jaz – Tivat – Lepetani – Kotor – Krstac (945 m) – Njegusi – Cekanje (1248 m) – Cetinje
87 km | 11,9 km/h | 7:18 h | 1335 Hm
W: heiter, schwül, später bewölkt, Lovcen-Straße windig, max. ca. 30 °C
E (R im Zentrum): Grillteller, PF, Gem., Rw, Eis, Cafe 17,30 €
Ü: PZ 20 € o. Fr.

Fr 5.7. Cetinje – Ivanova Korita – Jezerski Vrh (1565 m) – Krstac (945 m) – Kotor – Perast – Risan – Donji Morini – Bijela – Zelenika
100 km | 14,1 km/h | 7:03 h | 1165 Hm
W: sonnig, bewölkt, windig, in der Boka heiß, nachts min. 27 °C, heißer Wind
E (R Moretto): Kalbsmedaillons, Reis, PF, Salat, Bier, Cafe 14 €
Ü: C Zelenika 7 € (kalte Du.)
B: Mausoleum Njegosev 3 €

Die Boka-Runde

Die Kotor-Bucht – Boka kotarska, kurz Boka – ist eigentlich mehr als eine Bucht – es sind mehrere Buchten bzw. ein verzweigtes System von Meerarmen – ein Fjord. Die Seeschiffe fahren bis in den letzten Winkel, den weitest entfernten Punkt vom offenen Meer – bis nach Kotor. So liegen in der engen, steil von den Lovcen-Bergen umragten Kotorbucht i.e.S. mit der pittoresken Altstadt und seinen an den Hang heraufgezogenen Festungsmauern riesige, der binnenseeähnlichen Stimmung unpassend überdimensionierte Hotelschiffe des internationalen Kreuzfahrtzirkus’. Wer die Boka beradelt, steht vor der Frage, alles oder nur einen Teil – was lohnt, was nicht?

Kurz: Abkürzungen zu fahren sind Frevel. Allein um die verschiedenen Stimmungen dieses kleinen Binnenmeeres einzufangen, braucht man Zeit – wohl bin ich noch viel zu schnell gewesen. Was der Rest von Montenegro nur selten zu bieten hat, gibt es hier im Übermaß: pittoreske Orte mit typisch dalmatinischem sprich venezianischem Charme. Die betriebsamen und größeren Orte Herceg Novi und Tivat als die beiden Eingangstore zur Boka-Rundfahrt gehören ebenso zu den Perlen, wie die stilleren Flecken Perast, Orahovac, Muo, Prcanj, Donje Stoliv, Donja Lastva oder die beiden Inseln Sveti Dorde und Gospa od Skruplje. Jedes unvollendete Bilderbuch wird hier die weißen Seiten problemlos füllen können.

Kotor selbst vermittelt eine ganz andere Atmosphäre als Budva, das Hippe und Glamouröse fehlt hier gänzlich – soweit es die Touristen hineintragen, verschlucken es die engen Häuserschluchten und werden organischer Teil des Stadtbildes. Da auch jenseits der Stadtmauern der Platz fehlt, gibt es kaum internationale Shops und Hotels, stattdessen sorgen kleine Läden, Restaurants und Ateliers für heimelige Winkel. Wer in der Stadt wohnt, tut es in engen Mauern, Gepäck wird per Lastenrad transportiert, Autos sind ausgeschlossen.

Die Boka über die offizielle Magistrale abzukürzen, wäre die schlechteste Routenwahl, wenn man auswählen müsste. Die Magistrale verläuft nicht durch Kotor, sondern von Herceg Novi über die Fähre zwischen Kamenari und Lepetani via Tivat weiter nach Budva. Dabei ist die Strecke zwischen Jaz und dem Flughafen Tivat die langweiligste – auch ohne Meersicht, aber auch keine echten Berge. Auch wenig reizvoll, aber mit Bindung zum Meer ist die Strecke zwischen Kamenari und Herceg Novi. Dabei kann man auf die Küstenpromenaden ausweichen, was aber nicht zu empfehlen ist, weil das Menschengedränge ein Vorankommen nur schwer zulässt.

Der geringst besiedelte und daher die meiste Ruhe verströmende Teil liegt zwischen Kamenari und Risan. Zwischen Risan und Kotor sind die Orte dichter, etliche Buchten werden bereits intensiver zum Baden genutzt, Massentourismus gibt es aber auch hier nicht. Zwischen Donji Orahovac und Kotor nimmt der Badebetrieb an den kleinen Mauerstränden zu. Weitgehend besteht eine Fahrstraße unmittelbar am Meer parallel zu der Hauptstraße, die etwas oberhalb liegt. Es lohnt diesen Fahrweg auch zu nutzen, auch wenn man mal etwas langsamer wegen der Strandgäste radeln muss. Mir persönlich hat die Strecke zwischen Kotor und Tivat am besten Gefallen, weil sich die kleinen, heimeligen Dörfchen mit Kirchtürmchen, roten Ziegeldächern, südländischen Zypressen und bunten Oleanderbüschen wunderbar mit den stillen, lieblichen Meeresstimmungen und den fast bedrohlichen, majestätischen Lovcen-Berghängen in perfekter Symbiose verbinden. Dabei ist die Strecke zwischen der Fähre bei Lepetani und Kotor für LKWs gesperrt, also überraschend ruhig, für den Rest nach Tivat gibt es wiederum eine meergebundene Fahrwegalternative.

Die Lovcen-Runde

Wer die komplette Lovcen-Runde an einem Tag fahren möchte, sollte das vielleicht am besten von Kotor aus tun. Von Cetinje aus ohne die Serpentinenstraße würde man ein echtes Highlight ausblenden. Die doppelte Beradlung der Lovcen-Serpentinen ist auch keineswegs langweilig – abwärts darf man genießen, was man aufwärts genauer in Augenschein genommen hat. Sicherlich muss man nicht die Runde komplett fahren, denn beide Strecken zwischen Krstac und Cetinje führen durch ein eigentümliches, für den Lovcen typisches Felsenmeer aus Karstgestein. Dabei ist letztlich die südliche Nationalparkroute die eindrucksvollere, die man noch durch eine sportliche Bergfahrt aufpeppen kann – zum Mausoleum zu Ehren des Fürstbischofs und Nationaldichters Petar II Petrovic Njegos, dessen Geburtshaus in dem Schinkenort Njegusi steht. Das pathetisch überdimensionierte Denkmal lohnt nur, wenn man noch mehr Aussicht haben möchte – eigentlich ist das aber schon mit der Serpentinenauffahrt zuvor ausreichend abgedeckt. Zum Mausoleum zahlt man Eintritt, während der Rest der Lovcen-NP-Straße für Velos frei ist, Autos zahlen Maut. Die Lovcen-Runde ist nirgendwo flach, also immerzu anspruchsvoll, wobei die aufsteigenden Serpentinen aus der Kotorbucht martialischer wirken als sie sind. Hingegen könnte man die Auf und Abs in der Lovcen-Höhe unterschätzen. Neben der bereits beschrieben Anfahrtsmöglichkeit vom Skadarsee gibt es auch noch eine einsame Nordanfahrt vom Slansko jezero bei Niksic, die ebenfalls durch ein Felsenmeer führt – soweit mein Auge das überblicken konnte.

Unterkünfte finden sich in Ivanova Korita (Bed-&-Bike-Betrieb, Skiresort), Njegusi (u. a. größeres Hüttencamp) und Cetinje – Selbstversorgung ist nur in beiden letzteren Orten möglich, in Cetinje gibt es auch einen gut bestückten Markt. Das berühmte Rauchfleisch, den Schinken und Käse aus Njegusi bekommt man natürlich nicht nur dort, aber in Njegusi gibt es viele Eigenvermarkter, meistens gibt es auch noch selbstgemachte Schnäpse in der Auswahl und hier ist es leichter, ein Schwätzchen zu halten. Weitere Esslokale gibt es am Krstac-Pass und nochmals etwas abseits und oberhalb von Njegusi. Ein Motel-Schild irritiert kurz vor der Abfahrt nach Cetinje einsam an der Straße. Unten befindliche Hütte ist nicht mehr als ein Picknickplatz mit einer Junggesellen-Küche und wohl ein paar Hüttenschlafplätzen – vielleicht eine Option für Selbstversorger, scheint mir aber etwas dubios. In Ivanova Korita findet sich nebst bereits bestehendem Gastbetrieb und dem neu gebauten, noch nicht im Betrieb befindlichen 5-Sterne-Hotel eine kleine Nationalparkverwaltung mit Karten, Souvenirs und Infos. (Für Gruppen können wohl auch Video-Präsentation gebucht werden). Direkt gegenüber dem Hotel ist auch der einzige Brunnen auf der gesamten Lovcen-Runde zu finden.

Bildergalerie zu Kapitel V (132 Fotos):



Fortsetzung folgt