Re: Das 2. Türchen

von: veloträumer

Re: Das 2. Türchen - 11.12.13 19:15

In Antwort auf: Juergen
vor ein paar Jahren war ich in Dubrovnik und musste weinen, als ich in dem kleinen Museum im Sponza-Palast stand, in dem Bilder der zerstörten Stadt und der Toten zu sehen sind. Ich war sehr bedrückt über meine Unkenntnis der Jugoslawienkriege, die ich nur wenig in meiner damaligen beruflichen Situation auf dem Schirm hatte peinlich Jetzt bin ich wieder gerührt über Deine sehr persönliche Er-Fahrung, die mich an meine damaligen Eindrücke in Kroatien auf dem Weg nach Griechenland erinnert.

Mir geht es nicht viel anders, mir waren die Fronten in den Ex-Jugoslawien-Krieg manchmal einfach nur zu widersprüchlich und kompliziert, sodass ich manches ausgeblendet hatte, obwohl ich zu dieser Zeit internationale politische Wissenschaften studiert hatte. Eher habe ich andere Themen gesucht innerhalb der EU oder außerhalb in der Welt. Ich erinnere mich auch eines (auswärtigen) Dozenten, der mal davon sprach, dass Urlaub in Kroatien billig sei und er dahin gefahren sei, da keiner hin wolle, weil im Hinterland gerade Krieg sei, nicht aber an der Küste. Damals fand ich das cool, heute denken ich da etwas anders.

Auch auf meiner 2003er-Reise habe ich mich kaum mit den Kriegshintergründen beschäftigt, da bin ich ja mehr oder weniger auch nur durch das touristische Blendwerk gefahren. Natürlich habe ich ich im Angesicht der zerschossenen Häuser auf dem Weg nach Plitvice oder in der Ervenik-Region schon die "Warum?"-Frage mit einer gewissen Gänsehaut gestellt, aber das zog schnell vorbei. Tatsächlich muss man die Wunden, die man sieht, auch mal hinterfragen. Die Reise ist allerdings nur ein kleiner Gedankenkreis um die Probleme - ein paar Denkanstöße, ein paar Kommentare - keine Kriegsaufarbeitung. Es bleibt letztlich eine Radreise, in der alles etwas flüchtig behandelt wird.

Ebenso liegt mir aber auch an der Aufbruch-Vision, wie es eben unter dem Etikett "Via Dinarica" formuliert ist. Es ist auch nie klar, ob eine gute Aussöhnung und Versöhnung eine gute Grundlage zum Aufbau eines Landes wird. Südafrika ist z.B. ein tragisches Beispiel dafür, wie trotz einer fast idealen Form von Versöhnung eine ungünstige soziale Entwicklung eingetreten ist, indem soziale und wirtschaftliche Asymmetrien zu neuer Gewalt mit neuen Trennlinien zwischen sozialen und ethnischen Gruppen geführt haben. Insofern könnte ich mir auch vorstellen, dass ein positive ökonomische Entwicklung innerhalb der EU auf den Balkan manche Schuld ungefragt hinwegspült - also zuerst einmal die Wohlstandsmehrung wichtig ist. Auch die Geschichtsaufarbeitung in Deutschland entwickelte ihr selbstkritisches Bewusstsein erst richtig nach der ersten Wirtschaftswunder-Nachkriegszeit, sprich nach der Adenauer-Zeit. Die Adenauer-Zeit war eine Ära, in der vieles vertuscht und verdrängt wurde. Trotzdem wurde die deutsche Nachkriegsgeschichte auch zu einem Vorbild für Friedensentwicklung. Vollendet werden konnte sie aber nur durch die Schuldeingeständnisse später - z.B. wie durch Brandts Kniefalll von Warschau oder den endgültigen Verzicht der Ostgebiete oder die Enttabuisierung der Judenvernichtung im Bürgertum durch die 1968er-Bewegung.