12 Tore nun schon

von: veloträumer

12 Tore nun schon - 11.12.13 23:06

KAPITEL VI
Multikulturelles Intermezzo in der Herzegowina: Sehenswerte Städteperlen zwischen Ruinen und Aufbruch, fruchtbare Poljen, schäumende Wasserspiele und liebliche Weingärten

Wohl ist die Mostar Sevdah Reunion mehr als nur eine Band, vielmehr ist sie ein Symbol für Versöhnung und Aufbruch der einst kriegsgebeutelten Stadt an der Neretva. Sie versucht der Stadt Mostar wieder zu einem lebenswerten, fröhlichen akustischen Gesicht zu verhelfen. Dragi Sestic, selbst Vertriebener und immer noch darunter leidend, belebt mit seiner Band den Sevdalinka- Stil, ein wohl auf das Mittelalter zurückgehende Musik, die ihre Wurzeln in arabischer Liebeslyrik hat. Dieser schwermütige Balkan-Blues steckt voller Melancholie, die in vertonten Gedichten aus der guten alten Zeiten Mostars stecken – in der Hoffnung, dass diese wiederkehren mögen. Obwohl ich Mostar um einige Kilometer entfernt umfahren habe, findet sich in diesem Bandprojekt der Geist des Via Dinarica kaum mehr wieder als irgendwo sonst: Mostar Sevdah Reunion „Cudna jada od Mostara grada“ (8:23 min.).

Sa 6.7. Zelenika – Herceg Novi – Kameno – Javor (839 m) – Trebinje – ? (605 m) – Mosko (Motel) – Bileca
80 km | 11,4 km/h | 6:58 h | 1465 Hm
W: sonnig, bewölkt, leichtes Gewitter, 24-29 °C
E (R Jezero): Steak m. Käse/Champ., PF, Gem., Ww, Eis Bananasplit, Cafe 32,50 KM
Ü: C wild 0 €

Die Nacht auf dem spartanisch ausgestatteten Camp in Zelenika war eine Vorgeschmack auf das Fegefeuer: Vom Meer rasten heftige Windböen auf das Land, die heiße Saharaluft mit sich trugen. So konnte man schon aus mehrfachen Gründen die Nacht nicht schlafen, sank das Thermometer nicht unter 28 oder 27 °C, zerrte der Wind am Zelt wie ein Wolfsrudel, fiel immerzu ein Schein der hellen Campinglichter durch die Feigenbaumdächer und – als wäre das noch nicht genug – blieben die Moskitos die ganze Nacht auf Blutbeutezug, da der Wind wohl auch ihnen die Nachtruhe geraubt. böse

So erklimme ich nach der Besichtigung von Herceg Novi und einem Abschiedskaffee auf Montenegro die Binnenberge nicht nur bei schweißtreibenden Temperaturen, sondern auch mit einem ziemlich ermatteten Körper und Geist. In Kameno kann man nochmal ein paar Kleinigkeiten erwerben – vor allem hier und jetzt ein Eis! Die Straße nach BiH ist relativ schwach befahren und führt alsbald durch typischen Oberflächenkarst, die das Orjen-Massiv hier aufgeworfen hat. Das Orjen scheint dem Lovcen ähnlich zu sein – ob jetzt wirklich eine nähere Beradlung und Erwanderung gelohnt hätte, ist von dieser Straße her nicht einzuschätzen. Eine Einmündung einer richtigen Straße aus dem Orjen, letztlich vom Orjen Sedlo kommend, wie auf den Karten verzeichnet, habe ich auf der Herzegowina-Seite nicht gesehen. Was ich gesehen habe, waren allenfalls ruppige Pisten, die Bergbauern dienen könnten, aber nicht einer touristischen Erkundung.

Der heutige und auch noch ein Teil des nächsten Tages führt durch die Herzegowina, der verwaltungstechnisch zur Republik Srpska gehört. Auffällig wird man an der Grenze in der „Republik Srpska“ willkommen geheißen, einschließlich serbischer Beflaggung – nicht in Bosnien-Herzegowina, dessen Staatssymbol gänzlich fehlt! Die serbische Prägung spürt man in der zurückhaltenden, eher ruhigen Atmosphäre auch in den größeren Orten (Bileca, Trebinje – wie auch schon anfangs der Reise in Foca), während sich die muslimischen und kroatisch geprägten Teile der Herzegowina sich lebendiger und „südländischer“ geben. Landschaftlich gelangt man zunächst in eine weichere Hügellandschaft mit teils weiten flachen Feldern und Wiesen.

Trebinje strahlt eine lebenswerte Atomsphäre aus durch großzügige Freizeiteinrichtungen (Bad, Park) und die idyllischen Plätze am allseits spiegelnden Fluss mit Terrassencafes und überhängenden Weiden, der kleinen Altstadtkulisse, in Berghöhen eingebettet, die von schmucken Festungen, Klöstern und Kirchen bestückt sind, sowie nicht zuletzt durch eine pittoreske Bogenbrücke (Arslanagica most) etwas außerhalb. Die Brücke hat man dem selben Mehmet Pasa Sokolovic zu verdanken, der auch jene Drina-Brücke in Visegrad in Auftrag gab, die zur Romanvorlage von Ivo Andrics Werk „Die Brücke über die Drina“ wurde. Die sonnendurchfluteten Hänge begünstigen Weinbau und guter Trank und feine Speisen lassen sich die besseren Kreise bereits sichtbar in entsprechend gepflegten Lokalen schmecken. Das beeindruckende Stadtpanorama verdankt man auch dem riesigen Friedhof, dessen Tote ja bekanntlich nicht alle eines natürlichen Todes gestorben sein dürften. Friedhofskultur zugleich als Landschaftsmerkmal wie als Mahnmal.

Der Übergang zum Bileca-See ermöglicht vom aufsteigenden Karsthang jenes weite Stadtpanorama, aber auch einen schönen Blick in das Trebisnjica-Tal, dem man weiter folgen könnte über einen Pass nach Niksic in Montenegro. Zum Bileca-See ist nur eine mäßige Zwischenhöhe zu erklimmen, mitten auf der Strecke liegt einzeln ein recht einladendes Motel (Mosko). Es öffnen sich sodann mehrere Seeblicke, inmitten findet sich eine kleine Insel mit orthodoxer Kirche. Man gelangt schließlich auf Seehöhe hinunter, umfährt den See nebst Steinbruchabbauhalden, passiert ein Fischlokal, das wohl schwer um wenige Gäste kämpfen muss und gewinnt wieder an Höhe, um zur Stadt Bileca zu gelangen, die oberhalb des Sees liegt. Mein Abendmahl finde ich gelungen direkt vor den Toren der Stadt, anbei ist gleich ein Picknickplatz samt Wiesenquelle, an dem mein Zeltgrund mit Seeblick jeden 5-Sterne-Camp schlagen würde. schmunzel

So 7.7. Bileca – Plana – Divin (648 m) – Berkovici – Prevorac (542 m) – Vrelo Bregave – Stolac – Stolovi (424 m) – Dracevo – Capljina
115 km | 14,0 km/h | 8:10 h | 1200 Hm
W: meist sonnig, auch Regen/Gewitter, kräftige Windböen, max. ca. 32 °C
E (R Pizzeria): überback. Käse/Preiselbeeren/Ananas, Kalb/Huhn/Gem., Bier 24 €
Ü: C wild 0 €

Bileca ist ein weitgehend untouristischer Ort, strahlt aber eine angenehme Ruhe trotz der recht üppigen Besiedlung aus. Ähnlich wie in Trebinje bereits, beherrscht die grüne Parkoase ein mächtiges Partisanendenkmal – die Opfergeschichte des Zweiten Weltkrieges ist auch hier lang und tragisch. Der Bileca-See staut das Wasser der Trebisnjica, dessen Flusslauf kurios ist – ein wiederum seltenes Karstphänomen. Er fließt ungefähr genauso lange unterirdisch wie überirdisch. Nach seinem Versickern bei Hutovo, kommt er gleich an drei Stellen wieder zutage – bei Capljina in die Neretva sowie bei Slano und Dubrovnik in meernahe Flüsse.

Die folgende Route, zunächst auf der Hauptachse nach Gacko weniger spannend, bekommt mit der abzweigenden Route nach Stolac ein wiederum neues Karstgesicht. Diese Strecke über eher leichte Hügel verläuft parallel zu den Bergrücken. Wahrscheinlich gibt es auch eine etwas anspruchsvollere Fahrt mehr durch die Berge, wenn man bereits in Podubovac abzweigt – vermutlich auch durchgehend asphaltiert. Was aber auf meiner Route fasziniert, sind die weiten Poljen-Landschaften – liebliche Hochebenen, auf denen sich Wasser sammelt, um Feld- und Gartenfrüchte anzubauen. Es bilden sich Auenlandschaften und zuweilen sprudelt irgendwo eine Karstquelle aus den nördlichen Gebirgszügen, die einen erfrischenden Flusslauf bildet, der irgendwo versickert. So entstehen auch an einigen Stellen schilfartige Hochgrasteppiche, die eigenwillige Farbschatten entwerfen.

Mit der letzten Passüberfahrt nimmt man bald rasante Fahrt auf, da hier das Gefälle recht stark ist. Immerhin liegt Stolac schon fast auf Meeresniveau, der Höhenunterschied summiert sich auf ca. 500 m, wobei die untere Hälfte der Strecke wieder recht flach am Fluss verläuft. Der Fluss Bregave ist wiederum ein Karstphänomen. Erst ein ausgetrocknetes Flussbett, staunt man plötzlich über den voll sprudelnden Fluss, der kleinere Wasserfälle bildet, unter verwunschenen Steinbrücken durchrauscht und dabei – nicht zugängliche – Gumpen bildet. Ein mehrteiliges Quellsystem kanalisiert hier das Sickerwasser der zuvor oben beradelten Poljen. An einer angeblichen Besichtungsstelle mit Haus markiert eine steinerne serbische Flagge das Ende der Republik Srpska. Mein Versuch, dort ein Wasserfall-Foto zu machen, wurde von einem Mann abgeblockt, der mich wild gestikulierend vertreiben wollte. Offenbar gibt es da einen Konflikt zwischen offizieller Sehenswürdigkeit, für die sogar ein Busparkplatz ausgewiesen ist, und etwas eigensinnigen Bewohnern.

Die Bregave bildet im Flacheren einige beliebte Flussbade- und Grillplätze. Stolac ist eine alte Mühlen- und Brückenstadt, wobei die Brücken oft Brückenhäuser sind – ein kleines Stück Balkan-Venedig. Aber die Zerstörung der Stadt ist extrem – Kroaten und Bosniaken standen sich hier unversöhnlich gegenüber, eine Moschee diente als Kriegskerker. Noch jetzt ist das Stadtbild ein bizarr kontrastreiches. Zahlreiche durchschossene Häuserruinen verfallen neben neuen, sogar trendy eingerichteten Cafes oder Bars. Zerstörung und Aufbau liegen dicht beieinander – beklemmend und hoffnungsvoll zugleich – Schatten und Licht in einem Bild. Für die alten Brückenhäuser werden sichtbar Renovierungsgelder bereit gestellt – die Stadt hätte sicherlich einen gehobenen Platz im Herzegowina-Tourismus verdient. Ein Tipp für die Zukunft.

Die folgende Hügelroute hatte ich in ihrer Ausdehnung unterschätzt – nicht lange Rampen sind das Problem, eher das stete, kleinteilige Auf und Ab, wobei der raue Asphalt auf dem engen Sträßlein keine schnellen Abfahrten erlaubt. Man fährt durch eine recht öde, karstige Macchia-Landschaft ohne rechte Orientierungspunkte. Ich mache mir Gedanken über die Wegweiserschilder, die im ländlichen Raum fast alle mit Nachrichten beklebt sind. Es sind aber keine Zeitungsausschnitte, sondern immerzu Totenmeldungen. Der Verstorbene wird mit Foto und seinen Lebensleistungen gewürdigt. Das ist überall so, nicht nur in Herzegowina – auch in Montenegro. Zuweilen ist der ausgeschilderte Ort dadurch nicht mehr lesbar. Was treibt die Menschen um zu solcher Totenverkündigung? Ich konnte es auf der Reise nicht herausfinden. Als ich schließlich das, sogar Nationalpark-geschützte, Seengebiet von Hutovo erreiche, ist es bereits so dunkel, dass sich alle Natureindrücke in der Nachtschwärze auflösen. Die Lichterketten an der Neretva wollen nicht näher kommen, so zäh zieht sich die Nachfahrt hin. Trotz dichterer Besiedlung liegt keine Essstube auf dem Weg, sodass ich bis nach Capljina zur späten Stunde einfahren muss.

Außer einem teuren, großen Hotel an der Brücke sah ich keine Unterkunftsmöglichkeit. Sodann fand ich offene wie verlassene Bretterbuden in systematischer Anordnung am Flussufer. Das etwas seltsame Ambiente – wie ich später erfuhr, ein Investitionsruine eines ehemaligen Eventparks für Konzerte und mondäne Partys – wurde alsdann noch mysteriöser, als sich mir eine wankende Lampe durch das Dunkel näherte. Der junge Mann erwies sich als Obdach- und Arbeitsloser, der mal im Ruhrgebiet gearbeitet hatte und entsprechend gut Deutsch sprach. Er wohnte hier mit seiner Frau und einem Kleinkind quasi in offenen Holzbaracken und wollte „eine Hütte bauen“. Als wir am Morgen etwas zusammen saßen und er eine notdürftige Kaffeebrühe ohne etwas Essbares zusammenbraute, erschauderte mich, dass das Kind mehrere Verletzungsspuren am Kopf hatte und die Frau recht schnell auch die Beherrschung verlor. Die sichtbare Armut lastete auf der Beziehung der drei, dass Streit unvermeidlich und Gewalt zu befürchten war. Mich erfüllt noch heute ein gewisser Unmut, hilflos die Situation möglichst schnell vergessend hinter mir gelassen zu haben. Was soll ich tun in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht kenne und in dem Sozialstaat noch eine ferne Vision ist? Sicherlich hätte ich in Deutschland ernsthaft überlegt, den Fall Polizei oder Jugendamt zu melden, denn das Kind dürfte so eine schadhafte Entwicklung nehmen. Ich hoffe insgeheim, dass der junge Mann einen festen Job findet – denn die Vernachlässigung war nicht bösartig, sondern Folge der zerstörerischen Kraft von Armut.

Mo 8.7. Capljina – Tasovici – Pocitelj – Capljina – Studenci – Stubica – Vodopad Kravica – Ljubuski – Vitina – Slap Kocusa – Klobuk – Grude
63 km | 12,3 km/h | 5:04 h | 815 Hm
W: sonnig, schwül, gegen Abend Gewitter mit Sturmböen, Wolken, 20-33 °C
E (H): Pfannengeschnetzeltes, Beilagen, RW 10 €
Ü: H (Motel) Kiwi 25 €

Trotz der traurigen Geschichte kann ich nicht umhin mit schwelgerischer Schönheit fortzufahren. Denn bereits auf der kleinen Auffahrt, um Pocitelj über eine kleine Rundfahrt zu erschließen, ergeben sich herrliche Panoramablicke über das Neretva-Tal mit der pittoresken Festungsstadt am Hang. Zunächst gelange ich zu den oberen Festungsteilen von Pocitelj und von hier aus wäre der Besuch der Stadt zu Fuß (es gibt Treppen, sehr steile Gassen, Rad schieben nicht möglich) ebenso denkbar wie von unten. Doch nehme ich einen weiteren Weg hinunter nach Pocitelj, auf dem man sich eindrucksvoll der Gesamtsilhouette nähert und sodann am unteren Eingangstor herauskommt, wo auch die Hauptstraße und die Busparkplätze liegen. Der Besuch sollte abends oder morgens geschehen, denn mit den Tagestouristen wird es hier übervoll. Als ehemalige Festungshochburg des Osmanischen Reiches dominiert natürlich das orientalische Erscheinungsbild, aber durch die enge und zweckgebunden Nachbarschaft zum Seehafen Dubrovnik kamen auch venezianische Einflüsse zum Tragen. Heute ist Pocitelj nicht nur ein Freiluftmuseum, sondern auch ein normal bewohnter Ort, sogar Gemüse und Obst wird in den kleinen Stufengärten angebaut. Die steile Hanglage lässt die totale Touristenflutung, wie sie wohl in Mostar zu erleben ist, nicht zu und jeden Abend kehrt hier die Ruhe der lieblichen Neretva in den Ort zurück.

Zurück in und aus Capljina heraus, dass keine echte Sehenswürdigkeiten aufweist, geht es durch teils dicht besiedeltes, von kleinen Weinrebenvillen geprägtes Hügelland, später Wiesen, Weiden, Auen, Ödland und unauffällige Bergzüge. Bei Studenci liegt der vermeintliche Abzweig zu den Kravica-Wasserfällen, was aber so nicht ganz stimmt. Denn tatsächlich besteht entgegen dem Karteneintrag bei den Kravica-Wasserfällen keine reguläre Brückenverbindung über das Wasser. Die Wasserfälle erreicht man geordnet per Stichstraße, die südöstlich von Ljubuski abzweigt und sodann entsprechend viele Parkplätze zu finden sind, da die Wasserfälle ein sehr beliebtes Ausflugsziel zum Baden und Picknicken sind.

Fährt man wie ich die Wasserfälle vom Südufer an, gelangt man zunächst an einen Ensemble von natürlichen und künstlichen Flussbecken mit kleinen Kaskaden, wo auch Ausflugslokale liegen und Bademöglichkeiten bestehen. Dann windet sich die Straße extrem steil nach oben, wobei man sich von der Flussschleife abwendet. Nach dem Ort Stubica quert man dann das nagelneue – zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Betrieb befindliche – Asphaltband der Autobahn Split – Mostar. Den Autobahnbau sieht man bereits zuvor bei Studenci mit den hohen Brückenpfeilern, die noch teils ohne die Horizontale unfertig in den Himmel ragen. Möglich, dass hier auch ein Abzweig mit entsprechenden Parkmöglichkeiten zu den Kravica-Fällen entsteht. Noch aber schleicht sich nur steil eine schlechte Straße nach unten, wo einige Autos auf provisorischen Wiesenstellplätzen stehen, dann beginnt Piste und schließlich nur noch eine Art Dschungelpfad mit verfallenem Mauerwerk. Ich fühle mich wie auf Stephens Entdeckerspuren zu den Maya-Schätzen von Copán, wie sie Karl Rolf Seufert mal in einem anschaulichen Abenteuerroman geschildert hat. Diese Schiebepassage ist aber nur sehr kurz und deswegen würde ich niemandem von dieser etwas prekären Exkursion abraten.

Dann steht man plötzlich an einem großen Flussbecken, das übervoll mit Badegästen ist, ein paar Bistros zu beiden Seiten und zur rechten Hand sprühender Wassernebel und schließlich eine ganze Kolonie von Wasserfällen – berauschend schön – ein wenig den Krka-Fällen in Kroatien nachempfunden, aber höhere Fallstufen. Man kann sich auch in die Kaskaden begeben und teils hinaufklettern – allerdings nicht so einfach wie an den Krka-Fällen. Doch wie komme ich mich dem Rad über den Fluss? – Ein schwankender Brettersteg verbindet die beiden Flussufer – ausreichend für Badegäste, für die ein Absturz ins Wasser keine große Gefahr darstellt außer einer ungewollten erfrischenden Dusche. Das ist aber nicht gerade so eine prickelnde Vorstellung, mit Rad samt Ausrüstung im Wasser zu landen. Und da sind ja auch noch die Massen von Besuchern – der „Gegenverkehr“. Nun schob ich das Rad im Gesamtpaket herüber und gab dann in der Mitte des Steges gegenüber zu verstehen, meinen Balanceakt abzuwarten. Nun ja, ganz so gefährlich war es nicht, aber wie immer gibt es einige ungeduldige Zeitgenossen, die sich riskant an mir vorbeidrängen mussten.

Auf der anderen Seite gibt es einen mit Naturstein gefugten Weg, dessen erste Meter allerdings so steil sind, dass ich für die Schiebeunterstützung eines Besucherpaars dankbar war. Auf der nun offenen Ebene zeichnet sich in der Ferne schnell auf einer Berghöhe eine Ruine ab, die über der Stadt Ljubuski thront und von den wehrhaften Verteidigungsanlagen der Osmanen gegenüber den Venezianern zeugt. Es folgt eine Strecke, auf der weniger bekannte, aber eindrückliche Kleinode liegen. Die Karstquelle Vriostica in Vitina, nur geringfügig abseits der Hauptstraße, ist mit einem kleinen Park und der Felsnische ein wunderschöner Träumerplatz. Dem Wasser sagt man verjüngende Wirkung nach, was meiner amtlichen Verjüngung um 15 Jahre an der albanischen Grenze (vgl. Kap. IV) nochmals Nachdruck verleiht – die Kräfte des Wassers mögen noch lange in meinen Adern wirken! schmunzel Nicht weniger eindrucksvoll ist der Kocusa-Wasserfall, der in einer breiten Front ein besonders berauschendes Schauspiel bei Veljaci bzw. Klobuk liefert. Dorthin gelangt man über eine auch als Radroute ausgewiesene, fast flache Nebenstrecke, mehrere nette Lokale liegen am Weg, auch direkt am Wasserfall. Nach dem Gewitter lieferte die Reststrecke (mäßig ansteigend) ein paar eindrückliche Stimmungen, ohne dass man eine wirklich spektakuläre Landschaft durchfährt. Das empfehlenswerte Motel mit Restaurant für den gelungenen Tagesabschluss liegt noch südöstlich vor dem Orteingang von Grude auf einer Anhöhe.

Bildergalerie zu Kapitel VI (115 Fotos, die Fotostrecke reicht noch bis zur BiH/HR-Grenze am Morgen des nächsten Tages):



Fortsetzung folgt