Strecke............... Neuss . Rom (caminaro) wichtiges Buch... Via Francigena, von Lausanne nach Rom ........................... Mehr braucht es für diesen Abschnitt nicht
Fragefaden ........ Via Francigena oder Neuss - Rom ............................ Danke für die vielen Hinweise!
Karten..................Michelin 1:150.000
........................... OpenFietsMap Teil I...................Neuss. Reims
Teil II..................Reims . Lausanne
Teil III................ Urlaub von der Reise Teil IV.................Lausanne . Santhia Teil V................. Santhia . Pietrasanta Teil VI................ Pietrasanta . Lago di Bolsena Teil VII............... Lago di Bolsena . Rom Teil VIII.............. …. zurück nach Hause externe URL........Diesen Reisebericht (ohne Antworten) habe ich auf meiner Homepage veröffentlicht.
............................ ............................ über die Via Francigena von Neuss nach Rom
............................Die Photos sind dort für nicht angemeldete Leser in der Originalgröße sichtbar und nicht, wie hier, auf 500px skaliert.............................990: Sigerich von Canterbury pilgert nach Rom, um dort das Pallium aus den Händen des Papstes entgegenzunehmen.
............................Im Laufe der Reiseplanung wird mir klar, dass ich etwas anderes vom Heiligen Stuhl mit nach Hause nehmen möchte.
............................1871: Die Kriegsentschädigungen in Höhe von 5 Milliarden Francs ermöglichen es, dass sich Deutschland zur größten Volkswirtschaft der Welt und zur 3. Weltmacht neben Frankreich und England entwickelt.
............................1918: Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts forderte 10 Millionen Tote.
............................1945: Während der Ardennenoffensive werden 160000 Soldaten getötet, vermisst und verwundet. Am 7. Mai unterschreiben die Achsenmächte in Reims die bedingungslose Kapitulation.
............................Mai 2015: „Früher kamt ihr mit dem Panzer. Heute kommt ihr mit dem Fahrrad.“ (Zitat einer Herbergsmutter im französischen Jura.)
............................Dieses Bild resultiert aus einer schwäbisch- rheinischen Zusammenarbeit von Iassu und mir ............................ Planungszeit: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Einerseits wäre es spannend die Via Francigena in Gänze von Canterbury nach Rom zu fahren. Andererseits ist mir der Aufwand, nach London zu fliegen, zu groß und die Strecke nach den Hinweisen hier im Forum im Norden Frankreichs zu unattraktiv. Ich entscheide mich daher für die Strecke durch Belgien, um ab Reims der Via Francigena zu folgen.
1.In BaseCamp stelle ich zunächst einen Track zusammen, der die Ratschläge aus dem Forum als Wegpunkte berücksichtigte und in Italien dem Eurovelo 5 folgen sollte. Diesen Track speicherte ich als roten Faden ab.
2. Beim Rother Verlag gibt es die Tracks ab Lausanne als Download. Diese waren sozusagen der blaue Faden.
3. Ein schwarzer Faden kam von
pellegrino hier aus dem Forum, der die Strecke im Jahre 2013 gefahren ist.
Vorweg: Es wurde eine sehr bunte Mischung.
Rückweg: Der Flug für mich und mein Rad mit AirBerlin von Rom nach Düsseldorf Anfang war für Anfang Juli gebucht.
Am 19. April sollte es losgehen. Mindestens eine Reiseunterbrechung zum Forumstreffen in Offenburg war geplant, und es stehen zwei wichtige Geburtstagsfeierlichkeiten im Mai an.
Weiterhin sind die Konzerttermine von
Gianna Nannini im Gepäck.
Vor lauter Planungswut fehlte mir im Frühjahr die Zeit zum Radfahren. Außerdem musste der Bericht meiner Portugal Tour fertig werden. Im Oktober gab es noch eine Knieoperation. Das Wort Krankengymnastik habe ich zwar gehört und gelesen, aber nicht wirklich verstanden. Es ist wie es ist, und mit der Zeit wird’s schon besser werden. Davon steht mir ausreichend zur Verfügung. Ein bewährter Schnitt von 50km/Tag sollte mir keine Probleme machen.
Mit mir, meiner erprobten Ausrüstung und meinem Terra machen sich also 145 Kilogramm Systemgewicht auf die Reise nach Rom. 2100 km liegen vor mir. Es sollten ca. 23000 Höhenmeter dazukommen.
............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten ............................Teil I: Neuss . Aachen . Bastogne . Sedan . ReimsIch starte relativ spät in den Tag und merke am Nachmittag in Linnich, dass die falsche Ladeschale für die Kamera im Gepäck steckt. Das Abendessen wird das zweitschlechteste auf der ganzen Tour und überhaupt ist und bleibt die Gegend um Grevenbroich einfach nur öde. Daran ändert auch die perfekt ausgearbeitete Strecke von Ulrich Lamm
Düsseldorf . Aachen nichts. Am Montag kostet das Stück Fuji-Plastik beim Photoladen in Aachen 79,- Euro, und mit Tränen in den Augen schaue ich mir Objektive und deren rote Punkte in der abgeschlossenen Vitrine an. Der Aachener Dom ist ganz schön und nach zwei vergeblichen Versuchen erhalte ich meinen ersten Pilgerstempel im dritten Geschäft.
Damit der Tag doch noch ordentlich endet, quartiere ich mich in Raeren beim
Onkel Jonathan ein. Dieses Kleinod belgischer Gastronomie fiel mir schon im Vorfeld auf. Raeren liegt ca. 25km hinter Aachen an der Vennbahn. Der Jonathan erzählt von dutzenden Holländern, die sich übers Jahr alle bei ihm auf dem Weg nach Santiago oder Rom laben. Kluge Holländer!
Nach einem opulenten Frühstück sind die nächsten Kilometer über die Vennbahn nicht sehr erquickend. Die Laufräder scheinen am Asphalt festzukleben, und es ist mir zu kalt, um im Zelt zu schlafen. So steuere ich mit triefender Nase den mir wohl bekannten Gasthof in Sourbroudt an, werde wie ein alter Bekannter in der
Pension Ulenspiegel empfangen, kraule dem Neufundländer „Kaiser“ das Fell und bekomme einen großen Topf heißer Suppe mit ausreichend Brot und leckerem Käse serviert. Den Schnitt mit 50km/Tag hab ich geschafft.
Das Frühstück ist auch hier immer eine sichere Bank und bringt mich locker über Sankt Vith in eines meiner Lieblingstäler. An der Our vertrödle ich den Nachmittag bei herrlichem Sonnenschein und absoluter Ruhe. Das Navi zeigt mir, dass in absehbarer Zeit nicht mehr viele Übernachtungsmöglichkeiten kommen. So ist in Burg Reuland für heute Schluss. Der Schnitt passt noch immer! Am Abend gibt es in der
Ulftaler Schenke das bis heute beste Entrecôte meines Lebens. Die Sauce wurde mit einem Bleu d’Auvergne veredelt. Jetzt weiß der geneigte Leser natürlich, wohin mich meine Reise 2016 auch hinführen wird.
Den Fledermaustunnel unter der besten Brasserie der Welt muss man schweißtreibend umfahren. Den weiteren Verlauf der Strecke versuche ich bei einem Telefonat mit Markus zu klären. Warum soll man nach Troisvierges runter und anschließend über eine steile Waldpiste sich wieder hoch auf die Trasse nach Bastogne quälen? Markus weiß auch nichts genaues, und so kaufe ich in Luxemburg erstmal billig Tabak ein. Die Fahrt über die Hügel ist wunderschön und führt gut beschildert über Huldange und Hautbellain nach Limerle (BHF) auf die Bahntrasse
L163 Gouvy-Bourcy nach Bastogne. Kaum an die erdgebundene Decke auf der Vennbahn gewöhnt, geht’s wieder über ein Asphaltband durch Wälder und Wiesen. Man sollte wirklich die Versiegelung von Bodenflächen in Naturschutzgebieten mit einer EU-Verordnung stoppen!
kulinarischer Hinweis: Auf der Vennbahn gibt es noch mehr zu entdecken. In Waimes liegt neben der Lieblingsbäckerei von Markus ein von Gault&Millau mit 15/20 Punkten dekorierter Fresstempel, der eine hervorragende Zweitküche in seinem Bistrot «Chez Gerty» bietet.
In Troisvierges sagte mir einst ein Belgier, er komme gerne zum Essen hier hin. Die Küche im Les Timandines sei die beste weit und breit. Kluger Belgier! Radwege Hinweis: In der Übersichtskarte der belgischen Radwege sind die .kml Dateien etwas versteckt hinterlegt. view-source:http://www.velo-ravel.net/_Kmls/Edit37.HTML Mit ein wenig Geduld lassen sich diese in BaseCamp importieren und zu einer transparenten Karte fürs Garmin verarbeiten.(zusätzlich besteht natürlich die Möglichkeit sich die Bahntrassen für Deutschland bei Herrn Bartoschek länderweise herunter zu laden und ebenfalls in die Karte zu integrieren) Anleitung von Arnulf Musealer Hinweis: „Mokka Türc & Marihuana – Schmuggel an der Aachener Grenze.“ In Aachen gibt es im Stadtmuseum eine Ausstellung auch über den Kaffeeschmuggel in den 50ern. An den Schießbefehl und die Kaffeepanzer im Bohnenkampf mag sich der Radler auf der Vennbahn erinnern. Die gilt heute umso mehr, angesichts der Forderung mancher dumpfer Braunbacken, auf Flüchtlinge an den europäischen Grenzen zu schießen. ………. die weite Weite bei Grevenbroich
………. es gäbe auch einen Roten aus Saint-Émilion
………. erstes zartes Grün im Hohen Venn
………. Panoramablick in Burg Reuland
………. erdgebundene Vennbahn bei Burg Reuland
………. Asphaltband vor Bastogne
Bastogne Am 21. Dezember 1944 endet die Ardennenoffensive hinter Bastogne. Rund um die Stadt verkriechen sich die Soldaten bis in den Januar 1945 bei -26° in den Wäldern. Ein einzelnes Mahnmal der Amerikaner steht an der Abzweigung Richtung Foy zum Bois Jacques. Hier kämpften und starben Alliierte und Deutsche in den
Foxholes. Während ich durch den Wald laufe ist es wieder da. Das Gefühl von ewiger Schuld, mit dem ich in den 60ern und 70ern groß geworden bin, lastet mal wieder auf meinen Schultern, macht sich breit im Kopf und verdrängt die Vernunft. Gefühlserbschaft nannte Freud die unbewusste Weitergabe von traumatischen Erinnerungen an die nächste Generation. Dazu gehören sicher auch die Schuldverstrickungen der Täter und die unvorstellbaren Ängste der Kinder in den Luftschutzbunkern.
In meiner Erinnerung hat es lange, sehr lange gedauert, bis ich sagen konnte, dass ich kein Schuldgefühl mehr mit mir rumtrage. Und doch, es ist präsent. Es scheint sich nicht abschütteln zu lassen. Zwei Onkel, die hier in Belgien unterwegs waren und niemals mit mir während meiner Jugend darüber sprachen, fallen mir ein. Der Versuch, durch Schweigen zu vergessen, war in der Nachkriegszeit Programm und hat uns Nachkriegsgeneration wohl immer noch fest im Griff.
Im Gestrüpp liegt ein Sack Kartoffeln, der scheinbar aus einer bunten Papiertüte mit aufgedruckten fetten Möhren herausgefallen ist. Ich kann im Angesicht des blutgetränkten Bodens noch nicht mal grinsen.
Als Reaktion auf mein Empfinden stopfe ich wütend einem Panzer mit dem Forumsbuff das Maul. Iassu habe ich das Photo irgendwann einmal gezeigt. Er hatte daraufhin nix besseres zu tun, als dem Panzer ein Lächeln aufs Gesicht zu malen. Je länger mir diese spontane Aktion durch den Kopf geht, je mehr wächst in mir die Überzeugung, dass wir Reiseradler im Universum irgendwann eine wichtige Rolle spielen werden. Danke Andreas!
Auf einem Hügel vor der Stadt steht das
Mardasson Memorial, das die Belgier den Amerikanern in Dankbarkeit für die Befreiung ihres Landes gebaut haben.
Mir fehlte bis heute jegliche Vorstellung davon, wie gigantisch dieses Monument ist. Fast bin ich geneigt zu sagen, dass es schön ist. Doch darf man das im Angesicht von 80000 weinenden amerikanischen Müttern überhaupt sagen? Konnte der Bau 1950 überhaupt trösten, nachdem die NATO und der Warschauer Pakt 1949 gegründet waren?
Jedenfalls verbringe ich geraume Zeit vor, unter und auf diesem Pentagramm, dessen Mauern mit hunderten Inschriften der US-Staaten und beteiligten Divisionen versehen sind.
Ich konnte es noch nie und kann auch heute diesen Monumenten der Macht etwas abgewinnen. Ihnen fehlt die menschliche Größe und Relation. Trotzdem genieße ich den Rundblick über die Ardennen, in die endlich Frieden eingekehrt ist. Es bleibt die große Hoffnung, dass der deutsch-französische Freundschaftsvertrag von 1962 dauerhaft hält, was sein Geist verspricht.
Élysée-Vertrag. Ein kleiner Raum, eine Krypta, die seitlich in den Hügel gebaut wurde, gefällt mir. Dass die in der Krypta gefertigten Mosaike ein Werk von Fernand Léger sind, erfahre ich erst bei einem Besuch mit Hansebiker im Herbst in der Kirche von Audincourt im französischen Jura.
So schaue ich durch die Kuppel aus Glasbausteinen in den verschwommenen blauen Himmel.
Auf der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft lande ich in der allerletzten Kaschemme. Die Pizza ist kaum merklich besser. Die Kirche zur Erlangung eines Pilgerstempels ist geschlossen.
Mit ein wenig belgischer Schokolade und französischem Pastis endet der Tag. Immer noch im Schnitt ist es abends immer noch arschkalt.
Bastogne. Sedan . ReimsEs gibt eine ehemalige Bahntrasse von
Bastogne nach Libramont. Der Teilabschnitt der L163 könnte mich Richtung Westen und weiter an die
Semois führen.
Bei einem Stopp an der Trasse kurz hinter Bastogne holen mich jedoch zwei Realitäten ein.
Erstens ist die Trasse unfahrbar. Dafür braucht es schon ein richtiges Pilgerfahrrad. So eins, mit dem Waltraud unterwegs war, wäre wohl die bessere Wahl.
Südbolivien mit dem Fatbike (Reiseberichte)Zweitens machen sich die untrainierten Oberschenkel deutlich bemerkbar. Es ist noch zu früh für irgendwelche Klettertorturen durch die Täler der Ardennen!
Ich bleibe auf der N85, teste eine Patisserie in Neufchâteau, übernachte in Florenville und überfahre die Grenze nach Frankreich völlig unbehelligt bei einsetzendem Regenwetter auf dem Weg nach Sedan.
SedanIn Betrachtung des Fort von Sedan ergibt sich ein Gespräch mit einem deutschen Ehepaar. Ein Satz blieb mir im Gedächtnis:
„ Hier haben wir ja gewonnen.“ Das Wort
Erbfeind krabbelt aus der Großhirnrinde und bleibt mir im Hals stecken. Auf dem Weg zum Friedhof St.Charles fällt mir das Lied ein:
"Wir wollen unser alten Kaiser Wilhelm wieder haben." Als Neusser wird uns ja die Marschmusik mit in die Wiege gelegt. Dass die vereinte Pädagogenschaft aus der Welthauptstadt der Schützenfeste die Kinder darüber aufklärt, was auf dem Weg vom Schützengraben zum Schützenfest hinter den Märschen an Kriegsereignissen steckt, ist wohl nicht zu erwarten. Dafür sollten wir ihnen alle den Marsch blasen!
Die Herrschaftsgelüste von Napoleon III. fanden 1870 in der
Schlacht von Sedan ihr Ende. Frankreich zahlte 5 Milliarden Francs an Deutschland. Das Deutsche Reich wurde gegründet. Deutschland wurde Weltmacht neben England und Frankreich. Meine Oma wurde 24 Jahre später geboren. Manchmal sang sie dieses alte Kaiser Wilhelm Lied.
Im Mai 1940 siegten die Deutschen in der
Schlacht bei Sedan und schufen damit die Grundlage zur Besetzung Frankreichs.
Es gibt keinen Panzer, dem das Maul gestopft werden könnte. So suche ich mir im Nieselregen eine preiswerte Bleibe. Das Photo vom Hotel sagt eigentlich alles. Nie wieder!
Mein Terra braucht einen Tag Pause, auch wenn mein Pensum passt. Nach Charleville Mézières sind es 20km und ich freue mich auf die Fahrt entlang des
Canal de la Meuse, der in den OpenFietsMaps von einem Radweg begleitet wird.
Trotz rumpelnder Fahrbahnbeschaffenheit macht mir die Fahrt einen Heidenspaß, und ich bin sehr gespannt auf CM.
Doch an diesem Sonntagmittag scheint die Stadt wie ausgestorben zu sein. Wenig erfreut von der Stadt und ohne Lust, durch die Einöde zwischen hier und Reims zu radeln, führt mich das Navi zum Bahnhof. Ich kaufe die erste Bahnkarte meines Lebens in Frankreich.
Freundliche Madame am Schalter, freundliche Franzosen auf dem Bahnsteig und im Zug, freundliche Schaffner überall.....
Kann mir jemand sagen, warum es in diesem Forum hunderte von Beiträgen über die Beschaffung von Zugtickets in Frankreich gibt?
Reims Zuerst schaue ich mir die
Kathedrale an. Ein Wachmann warnt mich vor Taschen- und Raddieben. Fest am Zaun auf der linken Seite der Kirche angebunden, wartet das Terra auf meine Rückkehr.
Kirche und Platz gefallen mir gut an diesem Sonntagnachmittag. Ich radle über die Brücke des Kanals, zum
(Centre International de Séjour) (CIS) und quartiere mich für zwei Nächte für den reduzierten Pilgerpreis ein.
Zurück per pedes in die Stadt........ Auf dem schmalen Bürgersteig kommt mir eine alte gebeugte Frau mit einem Sack auf dem Rücken entgegen. Der Bürgersteig ist zu schmal für uns beide. Neben mir fahren die Autos, ich schaue die alte Frau an, während sich unser Abstand verringert. Aus ihrem weißem Haar leuchtet die Kraft ihrer Jugend. Es sind nur Sekunden, doch in mir läuft ein Film ab. Meine Oma erzählte oft, dass sie nach dem Krieg,
"wenn mir der Franzos entgegenkam" das Trottoir verlassen musste. Das war nach 1918. Die Franzosen hatten das Rheinland besetzt. Dass sie nach diesem Krieg noch einen zweiten erleben musste, der ihr das Haus und den Vater ihrer Kinder nahm, ist für mich unvorstellbar. Wie viele Schmerzen kann ein Mensch ertragen? Was bedeuten 10 Jahre Krieg im Leben einer jungen Frau?
Es waren nur Sekunden auf der Brücke des Kanals, die der Film dauerte. Ich grüße die Alte freundlich mit
"Bon jour Madame." Kurz treffen sich unsere Blicke. Ich mache ihr den Weg frei und passiere sie auf die Straße. Die Alte geht ihres Weges.
Später, auf dem Rückweg, kommen mir an gleicher Stelle 4 junge Franzosen entgegen. Wir begegnen uns mit Respekt, machen uns schmal und keiner muss auf die Straße.
………. Was mag diese Rad für Geschichten erlebt haben?
In der Hauptstadt des Champagners sitzen unzählige Franzosen auf dem Platz vor der Kathedrale, rauchen Zigarren und schlürfen Pritzelwasser. Die Flaschen stehen im Eiskübel auf dem Tisch. Es ist hier wie auf der Königsallee. Ich setz mich dazu und bestelle.
Das mit dem Crêpe kapiert der Ober sofort. Als er aber
"Garçon, un Glas Champagne, s'il vous plaît" hört, fragt er nach und ich bestätige ihm das.
Irgendwann kommt der Eierpfannkuchen mit Eis und Schokosauce. Der Ober fragt nochmal das Getränk ab und irgendwie werde ich erst stutzig, als er mir gegenüber ein Gedeck auflegt. Irgendwas läuft hier gewaltig schief, denke ich so. Er kommt zurück und präsentiert mir einen riesen Champagner Eisbecher.
Mein reichlich verdatterter Gesichtsausdruck animiert die anderen Gäste, herzhaft und laut zu lachen. Mannomann ist mir das peinlich. Dass Glas auf Französisch Coupe oder Flute heißt und nicht Glace, ist mir von nun an bekannt.
Übrigens hat der Kellner, ohne mit der Wimper zu zucken, den Eisbecher zurück gebracht und mir mein Glas Champagner serviert. Vive la France!
Zurück im CIS stellt sich die Frage nach einem guten Restaurant in der Nähe. Mit leuchtenden Augen sagt der Rezeptionist :
"Le Petit Basque" Mannomann, was war das Essen gut.
Neben mir sitzt ein Mann, der in seiner Zettelwirtschaft und in einem Buch vertieft ist. Er heißt Luc und kommt aus Holland.
Luc erzählt mir sein Leben. Ich erzähl ihm mein Leben. Luc pilgert zu Fuß nach Santiago. Ich pilgere mit dem Rad nach Rom.
Auch am nächsten Tag verbringen wir den Abend gemeinsam beim kleinen Basken. Wir haben uns doch recht viel zu erzählen.
Angekommen! Ja, ich fühle mich auf meinem Weg nach Rom auf der Via Francigena angekommen. Der Bummel durch die Stadt dauert den ganzen kommenden Tag. 10km lege ich zu Fuß zurück und mache so manche Entdeckung:
………. im Hemingway leben sie weiter.
………. im Innenhof bei den schönen Künsten wird um 16:30 Uhr das Tor unerwarteter weise aber sehr laut geschlossen.
………. in Erinnerung an die Fuchslöcher bei Bastogne und den lieben Fuchs in der Algarve werde ich mir das Bild an die Wand hängen
.......... erst bei der genauen Betrachtung des Bildes fällt mir die weiße Taube auf.
Sie ist für mich ein Sinnbild der vielfältigen Ereignisse, die sich in dieser Stadt zugetragen haben und Hoffnung auf dauerhaften Frieden zugleich.
- Erinnerungstafeln im Garten des Gefängnisses der Gestapo erinnern an die Gräueltaten der Nazis.
. - Am 7. Mai 1945 unterschreiben die Achsenmächte in Reims die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Vor dem ehemaligen obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte zeugen heute noch die Fahnen der Sowjetunion, der USA, Englands und Frankreichs vom letzten Tag des Krieges.
. - Anfang Juli 1962 trafen sich Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in Reims, um die letzten Vorbereitungen zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag abzuschließen.
………. es ist heute der 27. April 2015. Der Frühling hält Einzug und morgen geht es weiter. Die Francigena wartet auf mich
Damit endet die Berichterstattung über den ersten Teil meiner Reise nach Rom. Wir frühstücken gemeinsam im CIS. Die Begegnung mit Luc hat mir gut getan und nährt in mir die Hoffnung, nicht alleine auf dem Weg zu sein. Die vielen einsamem Tage auf der Via Lusitana im Osten Portugals, machten mir doch sehr zu schaffen. Wir verabschieden uns in der Hoffnung, unsere Ziele gesund und munter zu erreichen.
3km hinter der Jugendherberge kreuzen sich unsere Wege dann doch noch einmal. Es sollte mehr als ein Vorzeichen auf Kommendes sein.
Buen Camino! ............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten ............................Teil II: Reims . Langres . Besançon . Pontarlier . YverdonDas heutige Ziel ist
Châlons-en-Champagne, eine Partnerstadt von Neuss. Mein Weg folgt mit leichten Abweichungen der offiziellen und ausgeschilderten Via Francigena. Bereits nach wenigen Kilometern tauchen vor mir zwei Wanderer auf. Es sind Brian und Shirley aus Australien. Mein Klingeln freut die beiden umso mehr, als dass ich der erste bin, den sie seit ihrem Start in Canterbury mit dem Ziel Rom treffen. Er ist 76 Jahre alt, Shirley ist ein Jahr jünger. Beide sind seit 55 Jahren verheiratet. Brian hat ihr zum Hochzeitstag diese Reise geschenkt.
Wiederum ein paar Kilometer später treffen wir in Sillery (Marne) nochmals aufeinander. Unsere Begegnung hat er hier festgehalten.
"After a coffee there we continued and met Jorgensen on his bike." Später auf der Tour, wenn mich jemand nach meinem Namen gefragt hat, habe ich ihn aufgeschrieben.
In Sillery, wir stehen mal wieder vor einem Soldatenfriedhof, trennen sich unsere Wege dann endgültig.
………. zwischendurch wollte ich zum
Fort de la Pompelle. Trotz meines Reisepanzers ließen sich die Gräben und Leitplanken an der 4-spurigen D944 nicht überqueren.
………. auch ein Photo vom Ei-Tablett kann einen schönen Moment einfangen
………. manchmal wünschte ich mir ein Trike. Heute nicht.
………. der Blick schweift über die Eisbecher der Champagne.
Über die Hügel der Champagne, durch ausgestorbene Weindörfer und über die kleine D1, ich hatte die Rumpelei am Kanal satt, erreiche ich Châlons und frage in der Sakristei von Notre-Dame En Vaux nach einem Pilgerbett für zwei Nächte. Pustekuchen! Selbst die Zimmer, die normalerweise für Besucher aus der Stadt der goldenen Nüsse reserviert sind, waren belegt. Suche selbst, sonst findet keiner!
Eine Bleibe in der Nähe des Bahnhofs käme mir sehr gelegen, da morgen ein Ausflug nach Verdun ansteht. Fündig wurde ich 25 Minuten per pedes entfernt. Das Rad konnte im Garten stehen bleiben.
Es war der Abend, der Fußballbegeisterten lange in Erinnerung bleiben wird.
Lahm rutscht aus, Alonso rutscht auch aus, Götze ist geknickt, Neuer hält und trifft abschließend die Latte. Triple ade! Verdun Bei der Vorbereitung der Reise wurde mir klar, dass ich neben Bastogne und Sedan auch Verdun besuchen wollte.
Das, was ich dabei gefühlt habe, hat mich mehr erschreckt, als das, was ich gesehen habe.
Auf den letzten Kilometern fährt der Bus über einen Teil der
"Voie Sacrée" die von Bar-le-Duc nach Verdun führt. Auf diesem heiligen Weg wurden im Sommer 1916
täglich bis zu 12800 Soldaten und 7100 Tonnen Munition an die Front in Verdun gebracht.
(Voie Sacrée bei Wikipedia) Wer also einmal auf der D1916 mit dem Rad unterwegs ist, möge sich an die Bedeutung dieser Straße und
die Noria erinnern.
Vom Bahnhof aus führt mich ein Franzose zur Touristen Information. Da es keinen Bus zum Fort Douaumont gibt, trinke ich erstmal einen Kaffee und nehme mir anschließend ein Taxi zum Fort Vaux. Dort oben umringen mich dutzende andere Besucher.
Ich möchte alleine sein.
Es ist mir in diesem Augenblick unmöglich, mit den anderen diese Kasematten zu betreten.
Wut und Trauer vermischen sich mit Unverständnis. Kann man die Unbarmherzigkeit des Abschlachtens in verständliche Worte fassen?
Ich trete wütend auf den Boden, stapfe orientierungslos über das Dach des Forts, schaue in irgendwelche Beobachtungsluken und bleibe an einem Stück Beton sitzen.
Es ist friedlich hier. Leise weht der Wind, und ich singe schweigend:
"Sag mir, wo die Blumen sind. Wo sind sie geblieben? " 8 Tage vor Beginn der Kuba-Krise hat Marlene Dietrich das Lied von Pete Seeger am 6. Oktober 1962 auf einer UNICEF Veranstaltung in Düsseldorf das erste Mal auf Deutsch gesungen. Dieser Mitschnitt hat mich am meisten berührt.
Lasst euch Zeit beim Hören
Quand comprendra-t-on? Zu Fuß gehe ich die Straße runter, denke bei den
Laufgräben an meinen Vater, der in den letzten Kriegswochen als 18-jähriger immer eine Schaufel dabei hatte und bleibe beim großen Gräberfeld von Douaumont stehen. Sprachlos und gleichzeitig fasziniert von Reih und Glied tausender Betonkreuze stehe ich wie verloren da rum, bevor ich anfange, die beste Perspektive für die Kamera zu finden. Die Ordnung des Schreckens ist machtvoll.
Später schreibe ich in mein Tagebuch:
„nummeriert, katalogisiert, zentimetergenau abgelegt im Boden des Grauens.“
„Zwischen Verdun und Auschwitz liegt Deutschland. Wie viele Fahrräder braucht es, um eine Kette von hier nach dort zu bilden? Mein Navi sagt, es sind 1008 km Luftlinie“. in eigener Sache: Ich schreibe diesen Bericht in mehreren Etappen. Manche Antworten auf mein Erlebtes möchte ich hier gerne einflechten.
Felix zitierte ein Lied von Eric Bogle - No Man's Land. Es gibt eine Interpretation von Hannes Wader, die ich als sehr eindrücklich empfinde. Ohne den Hinweis wäre ich selber nicht darauf gekommen und hätte wohl nicht daran gedacht, das Video hier zu verlinken. Es ist an der Zeit…..
Ingo schrieb sinngemäß, dass er sofort losfahren möchte. Die gleichen Orte sehen. Dort sitzen, schweigen, denken, gedenken.
Ja, genau so erging es mir. Denken und Gedenken ist der passendste Ausdruck dafür. Fahr los!
Nathalie und viele andere formulierten unsere Verantwortung als Nachfahren der beteiligten Kriegsparteien so, dass es dafür zu sorgen gilt, dass sich derartiges nicht wiederholt.
Ich kann und will mir eine Wiederholung dieses Schreckens nicht vorstellen, auch wenn, so wie Andreas schrieb, das Gespenst: -wir sind Nazi- scheinbar erneut, nicht mehr gänzlich unvorstellbar zu sein scheint.
Meine feste Überzeugung bleibt, dass die Mehrheit der Europäer nicht den braunen Rattenfängern folgen wird, auch wenn die Entwicklung bei uns und in vielen unserer Nachbarländer nicht erfreulich ist und Anlass zur Sorge bietet. Vereint im Hass auf Minderheiten, zeigen die Rechten doch nur erschreckend ehrlich ihre kleine dumpfe Welt.
Es ist absolut richtig, darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen, Museen zu besuchen, Geschehenes zu verstehen und mahnend den Griffel zu heben. Was mich zudem beschäftigt, ist die Reaktion von Markus, der ganz klar sagt, dass er viele Geschichten aus seiner Jugend verdrängen und vergessen wollte. Diese Ehrlichkeit imponiert mir, weil ich das Verdrängen nur zu gut kenne. Schweigen! Schwamm drüber! Doch kein Schwamm kann porentief von außen reinigen. Das gaukeln uns nur die Werbefuzzis und Verhaltenspsychologen vor. In meiner Vorstellung muss der Mensch ein solides Fundament (sh. Andreas: Ich-Kraft) seines eigenen Lebens erreichen, damit er bereit ist, beiseite zu treten, um sich für das Erlebte und Verdrängte, den Blick in den eigenen Abgrund, zu öffnen. Dafür reicht oft ein winziger Augenblick des Sehens und Fühlens. Vielleicht mag auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Familie zunächst schwierig sein. Doch hinzuschauen, hinzufühlen und, wenn es sein muss, auch zu vergeben, kann mit die Grundlage für die Moral unserer Kinder sein. Vielleicht ist es passend, in dem Zusammenhang den Begriff der Moral noch mit dem Begriff des Respekts zu ergänzen. Respekt ist für mich die Grundlage des Miteinanders zwischen Nachbarn im Hochhaus oder Staatsvertretern im Sitzungssaal der Vereinten Nationen.
Nochwas: Ich hab selten Geschichtsbücher gelesen und war in diesem Fach eher wenig interessiert. Zur Zeit mimt mich die Trilogie von Ken Follett gefangen. Im ersten Band beschreibt er sehr verständlich und hervorragend recherchiert die Entwicklungen von 1911 bis 1924.
"Sturz der Titanen" hat mir gezeigt, dass die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ohne die Fehleinschätzungen, Machtspiele und falschen Versprechen der Regierenden einerseits und der Verblendung sowie der Obrigkeitshörigkeit andererseits, nie hätte geschehen können.
Vielen Dank für euer Mitdenken und Mitgedenken!Ich halte mich noch länger im
Beinhaus von Douaumont auf und schaue mit neugierigem Blick auf einen LHT auf dem Weg nach Venedig.
Autofahrer anzusprechen und zu fragen, ob sie mich mit zurück nach Verdun nehmen, ist zwecklos. In Gedanken bleibt mir ein Fußmarsch den ganzen Weg zurück nicht erspart, als sich doch noch ein freundlicher Franzose meines gereckten Daumens im Wind erbarmt, einen Umweg in Kauf nimmt und mich kurz vorm Zentrum absetzt.
Zurück in Châlons, löst sich meine Hoffnung, vielleicht doch noch eine Nacht im Hotel bleiben zu können, in Luft auf. Egal. So habe ich heute das Vergnügen, im Zelt auf dem Camping Municipal zu schlafen. Muss sparsamer leben, der Weg ist noch weit und der Schnitt sowieso im Eimer.
Ich möchte die Beschreibung von meinem Tagesausflug nach Verdun mit einem Photo beenden, das mir sehr am Herzen liegt. Neben dem großen Gräberfeld gibt es abseits eine Gedenkstätte für muslimische Gefallene. Außer mir war dort kein anderer Besucher. Es wäre wünschenswert, dass, gerade heute, dort mehr Besucher hingehen!
Châlons-en-Champagne . Lac du Der-Chantecoq. Joinville (Haute-Marne) . LangresNeben mir zelten 4 Holländer. Alle sitzen sie auf Rädern von Jan Janssen, alle Räder sind schwarz, alle Räder haben hoch aufgerichtete Brezellenker. Der Weg nach Santiago ist noch beschwerlich.
"Die Brezellenker machen die Bergkletterei einfacher!" Buen Camino! Über die D60, dem aufgebrochenen Asphalt und den Fahrspuren am Canal Latéral À la Marne erreiche ich Vitry-le-François zum Mittag. Es beginnt zu regnen. Es hört nicht auf. Eingepackt in schwarzen Regenklamotten vertraue ich auf mein Wetterglück und stehe doch irgendwann im Nirgendwo französischer Einöde. Du siehst nix mehr. Alles tropft, die Hände frieren im nassen Gegenwind. Das rechte Handgelenk schmerzt wie Hölle. Non¬cha¬lance, was ist das? Ich hoffe auf touristische Infrastruktur in der Nähe vom Lac du Der und finde einen verschlossenen Campingplatz mit Holzhütten an der Kreuzung von D58 und D13.
Weit und breit ist nichts anderes in Sicht. Auf mein Klingeln öffnet sich das Tor ins Paradies.
Die Fragen von Madame beantworten sich von selbst:
"Möchten Sie zu Abend essen? Wein oder Bier?"
"Möchten Sie frühstücken? Kaffee oder Tee?"Ich nehme alles und bekomme es termingerecht auf dem Tablett in meine Hütte gebracht. Gegen die Schmerzen schmiere ich stündlich Voltaren dick aufs Handgelenk.
Der Regen trommelt unermüdlich bis zum frühen Morgen aufs Blechdach.
"Darf ich noch eine Nacht bleiben, Madame?"
"Qui! Mittagessen, Abendessen, Frühstück?" So vergeht die Zeit in der Holzhütte. Zwischen Bett und der Terrasse, versorgt mit dem Tabak aus Luxemburg, Voltaren und den Mahlzeiten verlasse ich im strömenden Regen für insgesamt 42 Stunden dieses Domizil nicht ein einziges Mal. Zusätzlich sorgen die Plauderecke und Bruno, Chef de Police, für Kurzweil.
Die Schmerzen sind weg, der Dünnpfiff vom Abend auch, und das Wetter zeigt Erbarmen. Ich möchte nach Montier En Der. Dort soll es eine weiße Holzkirche geben. StefanS hat sie mir ans Herz gelegt. Das ist mit ein Grund, warum ich die Francigena zwischen Châlons-en-Champagne und Langres überhaupt verlassen habe. Doch die Wanderung von Wegpunkten auf ihrem Weg von BaseCamp zum Navi sind unergründlich. In Montier erzählt mir die Dame in der Touristeninformation, dass sich die Fachwerkkirche in Lentilles befindet. Schade!
Über die D4 erreiche ich Joinville am Nachmittag. Der Regen hat mich wieder eingeholt, doch schmerzfreie 900hm auf 63km machen Hoffnung.
Ein weiterer Grund für die Streckenänderung war mein Wunsch, der Veloroute 53 nach Langres zu folgen und mir das Viadukt von Chaumont anzuschauen. Beides fällt buchstäblich ins Wasser. Der Regen hört nicht auf. Ich nehme den Zug, schiebe im strömenden Regen mein Fahrrad die 14% hoch nach Langres, betrachte den unter Wasser stehenden Campingplatz mit Argwohn und lande im überteuerten Hotel.
Nicht so schön heute.
Langres . Dampierre sur Salon . Besançon Endlich wieder auf der Francigena! Endlich hat der Regen aufgehört!
Eine Pilgerin auf dem Weg nach Santiago hat preiswert im Presbyterium übernachtet. Wir frühstücken gemeinsam im Straßencafé und erzählen Geschichten.
Es macht Freude heute. Am kleinen Fluss „Le Salon“ endet die Region Champagne-Ardenne. Die Käse Welt des Franche-Comté beginnt.
Vielleicht mache ich mir was vor, vielleicht sehe ich Gespenster, doch der Himmel und die Kühe wirken freundlicher. Kleine Hügel, bunte Felder und heimelige Dörfer sind Balsam für meine Seele. Ganz ehrlich? Mir ist die Lust auf Rumpelwegen an endlosen Kanälen entlang vergangen. Zum Einfahren in die Saison sind sie allerdings nicht verkehrt.
In Champlitte sitze ich
hier (altes Photo) in der Sonne und freu mich tierisch über ein Menu de jour, das nun gar keine Wünsche offen lässt. Der Nachtisch geht zurück. Und, ja das hat man selten, es gab eine Käseplatte wie früher, als man sich noch selber verschiedene Stücke abschneiden konnte.
In der Touristen Information gegenüber erhalte ich eine Liste mit den Pilgerherbergen von hier bis zum Genfer See. Sie sollte sich heute und in den nächsten Tagen als überaus wertvoll erweisen.
In Dampierre sur Salon werde ich überaus freundlich aufgenommen. Der Preis für die Übernachtung beschämt mich. Herrlich ruhig ist die Nacht in meinem Schlafsack im Schlafsaal des örtlichen Kindergartens
Croq'Loisirs..
Auch in Frankreich bringen Helikopter-Eltern ihre Kinder in die Tagesstätte. Ich verlasse den Ort der Gastlichkeit, genieße das Frühstück im Dorf und betrachte in den überschwemmten Flussauen die Folgen der Regenzeit.
Die Rohloff schwitzt schon geraume Zeit, doch im Zug nach Langres bildet sich einen Ölfleck auf dem Boden. Der Techniker beruhigt mich am Telefon und wünscht gute Fahrt. Es sei unproblematisch, mit der Nabe weiter zu fahren. Ich könne das Laufrad jedoch im Winter kostenlos zur Revision einschicken. (Dabei erfuhr ich, dass alles in Ordnung sei. Selbst die Abscherbolzen im Getriebe sehen nach jungfräulich aus.)
Heute bin ich auf dem Weg nach
Besançon. Kleine Landstraßen führen durch kurzwellige Hügellandschaften, kreuzen Kanäle und führen mich über einen heftig steilen Anstieg ins Industriegebiet vor Besançon. Dabei verfahre ich mich und muss ein Stück bergauf auf der N57 fahren. Neben mir donnern die LKWs entlang. Nicht schön!
Die Jugendherberge (CIS) ist belegt. Ich übernachte im Hotel F1 und verbringe den Abend mit nordafrikanischen Monteuren in geselliger Runde. Es macht Spaß, mit den Jungs zu quatschen. Erinnerungen an meine Studentenjahre werden wach. Als reisender Schreiner hab ich so manchen Friseursalon zusammengeschraubt. Mein Fahrrad bekommt ein eigenes Zimmer.
Der Frühling hält Einzug. Nach zwei Waschmaschinen in der JuHe erkunde ich die Stadt, sitze in Cafés, spaziere zur Festung hoch……… Gammeltag! Sehr schön!
Die Entscheidung, später im Jahr noch einmal hierhin zu fahren, fälle ich erst morgen.
Besançon . Ornans . Ouhans . Pontarlier . Les Fourgs . Yverdon-les-Bains................. oder:
"Meine Liebeserklärung an eine Landschaft, die Leidenschaft weckt."Ach was wäre es doch schön, mit Siebenmeilenstiefeln die Falten vom französischen Jura von Nord-Ost nach Süd-West queren zu können.
Jedoch, wie der Titel schon sagt, werden es eher kleine Schritte sein. ……………..
Nach 2 ½ Wochen stehen 710km auf der Fahrraduhr. Bis Lausanne sind es noch 160km. In 7 Tagen beginnt das Forumstreffen in Offenburg. Alles klar?
………. auf der linken Seite vom Doubs führt mich ein wunderbarer Radweg unterhalb der Zitadelle von Besancon bis nach Beure. Die erste Jura-Prüfung kann beginnen. Genügend Respekt ist auf jeden Fall vorhanden.
(Wer mit dem Begriff einer Jura-Prüfung nichts anfangen kann, der mag sich hier über die Konsequenzen schlau machen:
Jura oder „Zwei Patriarchen im Intensivkurs")
………. Kopf-Kino ade! In der Pause nach den ersten Kilometern auf der D9 staune ich nicht schlecht.
………. Putzige kleine Häuser an der D101 beherbergen bestimmt nette Radfahrer,....
………. nahe einer Flusslandschaft, die traumhafter nicht sein kann.
………. Kann Schöner Wohnen schöner sein?
………. Obwohl es erst Mittag ist, möchte ich mir diesen wunderbaren Ort näher anschauen und bleibe auf dem
Campingplatz. Ornans liegt im Tal der Loue, der ich bis zur Quelle folgen möchte. Einige hier im Forum haben mir im
Fragefaden den Mund wässrig gemacht. Ja, das ist hier so wie beschrieben und noch viel besser.
Kunstvolle Ecken, Häuser die sich vorwitzig zum Wasser neigen, liebevoll angelegte Gärten und ein leckerer Pastis lassen die Erinnerung an die schrecklichen Orte in den Ardennen und der Champagne zwar nicht verblassen, aber doch in einem veränderten Licht erscheinen.
Heute vor 70 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Europa vereinigte sich im Laufe der Jahre zu einer großen Idee. Die Freizügigkeit zwischen mehr als 30 Staaten ist ein hohes und bewahrenswertes Gut.
Die ersten Schritte sind getan, weitere müssen folgen. Ich bin, trotz vieler Kritik, dankbar für das Erreichte.
So sitze ich mit Blick auf den Fluss beim Sonnenuntergang und Pastis und mach mir einen heiteren Abend in deutsch-französischer Freundschaft.
Er wird von einer fantastischen Entenbrust an
Himbeer Pflaumensauce gekrönt.
Vive la France! 8. Mai 2015 Viele Photographen sind im Café am großen Platz versammelt. In zwei Stunden beginnt eine Ausstellung, die sie gestaltet haben. Obwohl sie mich herzlich dazu einladen, fahre ich weiter, der Quelle entgegen.
Viel zu schreiben gibt es nicht. Vielleicht nur, dass mir jede Bank und jeder Parkplatz für eine Pause nützlich erscheint, um die Landschaft einzuatmen. Auch wenn ich leistungsmäßig an meine Grenze komme, ist die Tour ein Traum in Grün.
Ein paar Bilder von der D67 Ornans - Ouhans:
Ouhans Im Herbergsverzeichnis ist eine Herberge mit Telefonnummer auf der Rue de Cret aufgeführt. Es ist schwierig, so ganz ohne Französischkenntnisse, mit einem Franzosen ohne Englischkenntnisse zu sprechen. Nur die Worte
"Qui, Madame sowieso und Telephone" sind mir ein Begriff. Egal, wird schon klappen!
Ein benachbarter Bauer hilft mir bei der erneuten Kontaktaufnahme, die mir
ein ganzes Haus gegen Pilgerspende beschert!
Spaziergang zur
Source de la Loue. Ich mag die andere Art der Fortbewegung nach getaner Arbeit sehr gerne. Die Trikolore weht leise vor der Kirche im Wind, eine hellgraue Kirche hoch oben auf der grünen Bergkuppe scheint mir ihr inneres Blau schweigend anzupreisen, braun-weiß gefleckte Kühe muhen dezent im matschigen Grün, das Blau des Himmels streitet sich schweigend mit dem hellem Grau junger Wolken. Die verblassten Farben auf den Bildern von
Gustave Courbet lassen im tosenden Sturm des blau-grünen Wasserfalls stumm erahnen, wie farbig diese Welt doch sein kann. Photos?
Photos!
Ich hab was vergessen:
Mein Regenschirm ist knack-orange! Heute wäre so ein Tag, wo er mir beste Dienste leisten könnte. Es kübelt wie aus Eimern auf dem Weg nach Pontarlier. Erst in der Heimat des Absinth hört der Regen auf. Photos? Fehlanzeige!
Was mach ich jetzt? Ich stehe an der N57 südlich von Pontarlier, hunderte Autos knallen erbärmlich laut an mir vorbei. Diese Variante nach L'Orbe gefällt mir ganz und gar nicht. Für die empfohlene Route zum Lac de Joux und weiter nach Romamontier und Lausanne fehlt mir die Muße. Ein Radfahrer schlägt mir die Route über Mouthe zum Lac de Joux vor. Ich zaudere mit mir und der Zeit, die die Höhenmeter gekostet haben und entscheide mich Stunden später für die Strecke über Le Fourgs zum Col des Etroits.
Kennst Du dieses auszehrende Gefühl, wenn der Schweiß auf die Innenseite der Brille tropft, die Ohren im Takt der Blutbahn trommeln, der Fettring um die Hüfte heißer und heißer wird, sich der Bauchnabel die Energie des Universums aufsaugen will und Du gleich vom Rad kippst? Absteigen. Schieben. Kleine Schritte. Völlig fertig steh ich in Le Fourgs, bekomme kaum den Mund auf und erhalte fast ohne zu fragen in der Touristen-Info die Adresse von Silvie und Jean Claude. Die kennen hier ihre pilgernden Pappenheimer!
Die beiden sind einfach herzallerliebst! Sie geben mir ein ganzes Appartement.
Geld? „ Was Du magst.“Scheinbar gebe ich 30% mehr, als hier Usus ist. Soviel möchten sie nicht annehmen, dabei sind sie mit ihrem kleinen Bauernhof nicht mit Reichtum gesegnet und Silvie arbeitet tagsüber noch in der Fromagerie gegenüber. Doch die beiden machen einen glücklichen Eindruck. Morgen wollen sie mit ihren MTBs eine Piste runter nach Yverdon und zurück über La Robella -als Training für ihre Sommertour von Lissabon nach Hause- radeln.
Nettes Ehepaar!
Bei Quiche au jambon und Salat lachen und erzählen wir übers Radfahren, Reisen und Gott und die Welt. Silvie meint, dass von all ihren Gästen die Deutschen am häufigsten über den Krieg sprechen. Das erlebe sie bei anderen Nationalitäten kaum bis gar nicht. Diese Erfahrung überrascht mich sehr. Für die beiden ist das alles Geschichte. Vorbei. Erledigt. Abgehakt. Es klingt ehrlich. Silvies Schlusssatz hat mich dann noch umgehauen.
„ Jaja, früher kamt ihr Deutschen mit dem Panzer und heute kommt ihr mit dem Fahrrad!“ Ich bin sprachlos.
Morgen möge ich bitte um sieben am Frühstückstisch sitzen. Bevor sie loskönnen, müssen sie noch ihre Tiere versorgen.
Die Schweiz wartet mit vielen Überraschungen auf. Es geht hoch zum Col des Etroits. Der Himmel ist strahlend blau, die Straße steil. Trotzdem hätte ich wohl besser jedes Loch in den Taschen mit Lebensmitteln vollgepackt.
Oben komme ich schiebend an, sitze auf den Überresten der Maginot-Linie und denk mir, dass wir die Kriege auch deshalb nicht so schnell vergessen, weil bis vor 25 Jahren eine Mauer nicht nur unser Land, sondern die ganze Welt geteilt hat.
Mit einem überraschenden Wahnsinnsblick vom Jura-Balkon auf die Alpenkette erreiche ich mein 5. Land auf dem Weg nach Rom.
Mit den vier letzten Bildern, die die Software des Forums in einem Beitrag erlaubt, verabschiede ich mich zunächst von meiner Tour. Ich habe mich entschlossen, von Yverdon-les-Bains nach Norden zu fahren. Es sind noch ca. 100km bis Biel. Das sollte ich bis morgen packen.
Die Fortsetzung folgt.......... in einem neuen Beitrag….. Herzliche Grüße
Jürgen